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Erinnerungen

Vorwort

In das „rege Interesse“, mit dem die seit langem in Vergessenheit geratene Schulchronik Die folgenden Berichte sind den alten und den jungen Bürgern von Zilshausen gewidmet.


Wir danken allen, die mit ihren alten Photographien und in langen Gesprächen mit ihren Erinnerungen unsere Arbeit unterstützt haben!


Für fachmännischen Beistand bei Problemen mit der Digitalisierung der Texte und Bilder danken wir unserem neuen Nachbarn Jann-Andreas Münning.


Der Gemeinde Zilshausen danken wir für die Finanzierung der Drucklegung.

Vorwort zum 2. Teil

In das „rege Interesse“, mit dem die seit langem in Vergessenheit geratene Schulchronik bei ihrer ersten Veröffentlichung 1993 aufgenommen wurde (vgl. S. 112 im Hauptteil), mischte sich bald eine gewisse Enttäuschung darüber, dass man nur relativ wenig erfuhr von dem Alltag im Dorf und den Festtagen, wie man sie selbst als Kind noch erlebt hatte.


Man vermisste vor allem die Erwähnung von originellen oder verdienstvollen Menschen, die zu ihrer Zeit zum Bild des Dorfes unbedingt dazugehörten, z.B. von „Gerje Marie“, die als Krankenschwester ein hilfreicher, oft lebensrettender Engel und eine „Institution“ im Dorf war, über die es noch ungezählte Erinnerungsgeschichten gab.


Damals versprachen wir, einmal etwas über sie aufzuschreiben.
Der Fund des alten Wasserrohrs bei den Bauarbeiten am Bürgerhaus gab einen weiteren Anstoß, in der dörflichen Erinnerungskiste zu kramen und war letztlich wohl der Auslöser für den nachfolgenden „Teil II“ zu der alten Dorfchronik unter dem Motto „Wie et frea su woar en Zelse“.


Es ist also nicht die „Geschichte“ unseres Dorfes, die auf den folgenden Seiten nachzulesen ist. Geschichtliche Daten sind ohnehin spärlich über ein kleines Dorf, das immer abseits der alten, bedeutenden (Römer-) Straßen, also im Schatten des großen Geschehens lag. In den Urkunden und Archiven wird es meist nur zusammen mit benachbarten Dörfern erwähnt, wenn es um Herrschafts- und Besitzverhältnisse, Abgaben und Gerichtsbarkeit geht. Manches Interessante, was in F. Schneiders Buch „Die Geschichte des Dorfes Lieg“ recherchiert und zusammengetragen wurde, betrifft daher auch unser Dorf, und wir haben an den entsprechenden Stellen darauf verwiesen. (z. B. auf die Backesverordnung aus dem Jahre 1876, auf die Auswanderungen nach Amerika, die Geschichte der Engelporter Höfe oder eine Sammlung origineller Hunsrücker Wörter und Redensarten). Vieles, was speziell unser Dorf betrifft, wird man verstreut auch im Teil I dieser Chronik finden.


Unsere „Quellen“ sind dagegen die Erinnerungen der älteren Zelser Bürger, die in den Gesprächen über vergangene Zeiten so lebendig und lebhaft zu sprudeln begannen.


Und unser Ziel war es, die Fakten und Daten der „offiziellen“ alten Dorfchronik zu ergänzen durch möglichst genaue, oft auch mundartliche Formulierungen aufgreifende Berichte von dem Dorfalltag, wie er von den Alten noch erlebt wurde – bevor die immer schneller werdende Entwicklung einsetzte, die auch das bäuerliche Leben so grundlegend verändert hat.


Die Zeit, über die hier berichtet wird, sind also vor allem die Jahrzehnte vom Ersten bis nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Kindheitserinnerungen der Autorin, die fast alle ihre Schul- und Semesterferien und ein ganzes Kriegsjahr im Haus ihrer Vorfahren in Zilshausen verbrachte und seit mehr als zehn Jahren fest dort wohnt, kommt der Authentizität der Berichte sicherlich zugute.

 

M. + M. Böhmer
im Juli 2001


Wappen

Wappen

Beschreibung:


Ein silbernes Schildhaupt, darin ein durchgehendes rotes Kreuz belegt mit einer goldenen Lilie, gespalten in Grün, vorne ein silberner Grabhügel mit Urne, hinten eine goldene Ährengarbe.

 

Wappenbegründung:


Kurtrier führte das rote Kreuz in silbernem Feld; der Ort gehört seit 1830 zu Kurtrier.

Die goldene Lilie ist das Attribut der Mutter-Gottes, sie ist die Schutz- und Kirchenpatronin des Ortes seit dem Bau der ersten Kapelle.

 

Der Grabhügel mit der Urne weist auf die frühe Besiedlung des Ortes und die im Distrikt „Linnif“ liegenden vor- und frühgeschichtlichen Grabhügel.

 

Die goldene Ährengarbe erninnert an die Entstehung des Ortes als landwirtschaftlicher Gutshof. Bereits 1346 wurden Bürger zur Zinslieferung (in Getreide) aufgefordert. Die Landwirtschaft hat neben den angesiedelten Betrieben auch heute noch Bedeutung für den Ort.

 

Das Wappen wurde im Februar 1986 von der Gemeinde festgelegt (siehe Chronik).


Die Anschaffung der zugehörenden Fahne erfolgte 1996 (siehe Chronik).

1- Der Fund eines alten Wasserrohres

Bei den Ausgrabungsarbeiten zum neuen Bürgerhaus ist man auf eine alte Wasserleitung gestoßen und hat im Erdreich des früheren Schulgartens ein gut erhaltenes Rohr gefunden. Man hat es vor dem Bagger gerettet, und es soll neben anderen Erinnerungsstücken im Bürgerhaus ausgestellt werden. Die Frage nach dem Alter und der Herkunft dieses Rohres regte zu Nachforschungen über die frühere Wasserversorgung unseres des Dorfes an.


Wasser war natürlich immer eine der wichtigsten Bedingungen für das Entstehen einer Siedlung. Die Feuchtgebiete für Zilshausen lagen oberhalb des Dorfes auf beiden Seiten der jetzigen Straße nach Kastellaun. Das Gebiet zwischen Berzelt und dem Dorf; die „Pingswies“ und der alte und der neue Sportplatz, galten immer als naß. Das Wasser, das aus Richtung Berzelt kam, konnte wegen einer undurchlässigen Erdschicht (Ton / Schiefer) nicht tiefer in den Boden versickern und trat an verschieden Stellen wieder zutage.


Oberhalb des heutigen Sportplatzes, auf dem „Wassem“, wie auch in der „Pingswies“, da wo sich heute ein Feuchtbiotop befindet, gab es sogenannte „Brunnenstuben“. Das waren Stellen, wo sich das Wasser sammelte und die mit Bruchstein gefasst und teilweise überwölbt waren. (Der Bruchstein war mit Gras überwachsen.)


Manche ältere Dorfbewohner erinnern sich noch, dass man dort die Wäsche gewaschen sowie Flachs „geröstet“ und gebrochen hat. – „Flachs rösten“ bedeutet hier so viel wie „rotten“, und das heißt: ihn ins Wasser legen bis die holzigen Teile verrotten und von den Fasern abgeschält werden können. –


In Zeiten großer Trockenheit, von denen die Chronik immer wieder berichtet und an die sich viele Bürger noch erinnern, war hier die letzte Möglichkeit, Wasser für Mensch und Vieh zu holen.


Vor allem in den Sommern mit großer Hitze und Dürre war natürlich die Brandgefahr im Dorf besonders groß. Grund waren Gewitter, offenes Licht oder Selbstentzündung von feuchtem Heu oder Stroh in den gefüllten Scheunen.


Das aus dem Hausbrunnen mühsam hochgeholte Wasser reichte kaum aus, einen großen Brand zu löschen, zumal zu diesen Zeiten die Brunnen selbst oft leer waren. (vgl. Dorfchronik, 1892-93 und 1911)

 

Aus diesem Grunde wurden zur Regierungszeit der beiden Kurfürsten Johann Philipp von Walderdorf und Clemens Wenzeslaus zwischen 1750 und 1800 strenge Brandverordnungs-Vorschriften erlassen. Sie forderten, dass – vor allem zur besseren Bekämpfung von Hausbränden – in jedem Dorf mindestens ein Laufbrunnen mit zwei Trögen und ein Brandweiher anzulegen seien.

 

Der Laufbrunnen an unserem Backes hatte zwei oder drei steinerne Tröge:


Im 1. „Kump“ konnte das Vieh getränkt werden, wenn es vom Feld oder der Weide heimkam,
im 2. „Kump“ wurden Futterrüben und anderes gewaschen.

 

Das aus dem letzten Trog ausfließende Wasser lief schließlich in einen „Brandweiher“, der mit einer hohen Bruchsteinmauer umgeben und mit einem Eisentor abgeschlossen war.

 

Das gefundene Rohr war Teil dieser ersten Wasserleitung unseres Dorfes, die etwa parallel zur Straße von der Brunnenstube oberhalb der Schule zum Laufbrunnen am Backes führte.

 

Das Rohr hat die Form, wie sie praktisch schon die römischen Wasserrohre hatten, die zum Beispiel an der Mosel verbreitet waren und dort häufig ausgegraben wurden. Es besteht aus Ton, wurde von Hand auf der Töpferscheibe hochgezogen und beim Brennen mit einer Salzglasur versehen.


Die graue Farbe läßt vermuten, dass das Rohr aus der Gegend von Trier-Bitburg stammt – möglicherweise aus Speicher, wo sich damals bereits eine Manufaktur befand. Mörtelspuren zeigen noch, wie die ineinander gesteckten Rohre miteinander verbunden waren. Spannender als die Beschäftigung mit der einschlägigen Literatur und die Gespräche mit „Experten“, die zur Datierung des Wasserrohres führten, war es, mit den vielen älteren Mitbürgern in der Erinnerungskiste zu kramen.


An den Laufbrunnen am Backes gab es kaum noch genaue Erinnerungen. Er ist aber noch gut auf einer alten Ansichtspostkarte von 1900 zu sehen.

 

Postkarten

Postkarten

 

 

 

 

 

Ausschnitte aus Postkarten um 1900 mit Blick auf die Rückfront der Zelser Kapelle
(links sind Zugang und die Mauer zum Kirchbrandweiher erkennbar, rechts auch der Laufbrunnen)

 

Die drei Brandweiher des Dorfes standen dagegen bei vielen noch in sehr lebhaftem Angedenken. Vor allem der Schulweiher scheint als „Grutscheweiher“ für die Kinder und im Winter als Eisbahn für die jungen Leute so große Anziehungskraft gehabt zu haben, dass die „Reinfälle“ ins Wasser und die Einbrüche ins Eis für viele zu den bleibenden Kindheitserlebnissen gehören. Einmal soll sogar ein Kind in einem der Brandweiher ertrunken sein. So war es kein Wunder, dass man den damaligen Brandweiher in der Dorfmitte zwischen Kapelle und Backes zum Schutz mit einer Bruchsteinmauer eingefasst hat, die, wie eine 91jährige sich gut erinnert, „sehr hoch“ war.


Ein dritter Brandweiher befand sich übrigens an der Weiherfurt (daher der Name), der wohl von Wasser und Wasseradern aus Richtung Höhenweg gespeist wurde. In den Erinnerungen der damaligen Anwohner war er ebenfalls als „Grutsche-“ und „Mollekäpp“(Frösche und Kaulquappen) -Weiher ein Kinderparadies. Und das abendliche Froschgequake gehörte früher zur akustischen Dorfkulisse. Immer wieder erzählen die Alten heute noch, wie heimelig es war, abends vor dem Einschlafen den Fröschen zuzuhören.

 

Treffpunkt war die „Brunnenstuff“

(Pressebericht der Rheinzeitung vom 10.9.99 – Brigitte Meier)

 

„Es war kein Zufall, dass die Baggerschaufel unter dem abgeernteten Feld von Werner Kochhahn auf eine Brunnensteinmauer und einen Brunnenschacht stieß. Die Grabung war mit seinem Einverständnis von Ortsbürgermeister Robert Etges in die Wege geleitet worden, denn Dorfchronist Dr. Manfred Böhmer hatte bereits 1997 die Theorie aufgestellt, dass sich im Erdreich oberhalb des Sportplatzes eine alte Wasserleitung befinden müsse.

 

Bügermeister Robert Etges Robert Kölzer / Dr. BöhmerBügermeister Robert Etges /Robert Kölzer / Dr. Böhmer

Vor zwei Jahren wurde nämlich bei den Ausgrabungsarbeiten für den Neubau des Bürgerhauses im einstigen Schulgarten ein zirka 56 Zentimeter langes Tonrohr gefunden, das Experten als Teil einer Wasserleitung identifizierten, die wahrscheinlich zwischen den Jahren 1750 und 1800 angelegt worden war. Dr. Böhmer, der bereits vor zehn Jahren die bis dato unbeachtet im Gemeindearchiv liegende Dorfchronik aus der Sütterlin-Schrift übersetzt hatte, kam bei Nachforschungen und Befragungen von älteren Zilshausenern bald auf die Vermutung, dass diese Wasserleitung von einer Brunnenanlage oberhalb des heutigen Sportplatzes in Richtung alte Schule führte.

 

Die älteren Bürger von Zilshausen berichteten ihm auch von anderen öffentlichen Wasserstellen im Dorf…
 

Bekannt ist auch, dass sich zwischen Kapelle und „Backes“ ein mit Bruchstein ummauerter Brandweiher befand. Das führte zu der Überlegung, dass die Vorfahren der heutigen Zilshausener durch die strengen Brandverordnungsvorschriften zwischen 1750 und 1800, die von den Kurfürsten von Walderdorf und Wenzeslaus erlassen wurden, zum Anlegen des Löschteiches mit der dazugehörigen Wasserleitung und des Laufbrunnens am „Backes“ veranlaßt wurden.


Landwirt und Altbürgermeister Kochhahn hatte den Verdacht, dass sich unter seinem Feld etwas Interessantes verbergen müsste, denn beim Pflügen tauchten immer wieder Bruchsteine an die Oberfläche, die nicht an diesen Ort gehörten. Und tatsächlich stieß Robert Kölzer mit seiner Schaufel an den Stellen, wo Kochhahns Pflug die Steine an die Oberfläche befördert hatte, in etwa 30 Zentimeter Tiefe auf einen alten Brunnenschacht.


„Wir sind natürlich begeistert von dem Fund“, freut sich Dr. Böhmer, dessen Theorie sich jetzt bestätigte. Um den gesamten Verlauf der Wasserleitung verfolgen zu können und noch andere von älteren Bürgern vermutete Brunnenanlagen zu entdecken, müssten weitere Grabungen erfolgen. Doch da W.Kochhahn sein Feld wieder bestellen muss, wurde das Grabungsloch wieder zugeschüttet, so dass der historische Fund weiter ungestört unter der Erde schlummert. Natürlich wurde die Fundstelle registriert, skizziert sowie fotografiert …“

2- „Wem bes dou da?“ Hausnamen

Bericht über die alten Hausnamen im Dorf: vorgetragen am ersten Seniorentag im neuen Bürgerhaus

 

Durch die Beschäftigung mit dem alten Wasserrohr, das beim Bau des Bürgerhauses gefunden wurde, ist ein Stück Dorfgeschichte aus der Vergangenheit aufgetaucht. Und wenn die älteren Mitbürger ihre Erinnerungen an Brunnenstuben, Brandweiher und vieles andere erzählten, wurde uns deutlich bewußt, daß uns nur noch sehr wenig Zeit bleibt, etwas von dem zu erfahren und aufzuschreiben, „wie et frea su woar“ in unserem Dorf und was inzwischen unwiederbringlich verschwunden ist.

 

Wir sind nämlich die Letzten, die sich noch an so manches aus früheren Tagen erinnern können, denn in unserer Zeit haben sich die Verhältnisse und Lebensumstände radikaler gewandelt als je zuvor innerhalb eines Menschenlebens. Während sich im bäuerlichen Leben jahrhundertelang nur sehr wenig verändert hat, vollzog sich in den letzten Jahrzehnten die technische Entwicklung und damit die Umwandlung der gesamten Lebensweise in rasanten Schritten.

 

Der Weg ging

  • vom Ollischlicht – bis zur komputergesteuerten Beleuchtungsanlage,
  • von da Keh vierem Plooch un dem Waan, mit denen man stundenlang brauchte, um die kleinen Felder zu erreichen und zu beackern – bis zum klimatisierten Super-Traktor mit Radio, der an einem Tag mehr Land bewirtschaften kann, als mehrere Bauern zusammen zu unserer Kinderzeit überhaupt besaßen,
  • und vom Strooße gie – bis zum Fernsehen …

Der Weg ging Jeder kennt diese und hundert andere Beispiele. – Man hat eine ganze Menge Anpassung, Umlernen und Fortschritt von uns verlangt!

 

Eine der auffallenden Veränderungen im Dorfleben ist, daß die alten Hausnamen mehr und mehr verschwinden. Wir haben deshalb einmal versucht, den Bestand der Häuser von Zilshausen um das Jahr 1940 und ihre alten Hausnamen aufzuzeichnen. In meiner Kindheit verbrachte ich fast alle Ferien in Zelse, und es scheint mir interessant, daß ich zwar fast jeden Hausnamen, aber kaum einen „richtigen“ Familiennamen kannte.

 

Wenn ich damals gefragt wurde: „Wem bes dou da?“
dann war die Antwort: „Hiestasch Toni sei Mädche“
Und wenn später mein Mann gefragt
wurde, machte es ihm Spaß zu sagen:
„Hiestasch Toni seinem Mädche seine Mann“

 

Um den Namen eines Dorfbewohners in unserer Gegend zu erfahren, konnte man – bis vor wenigen Jahren – zwei Fragen stellen:

 

„Wie nennt ma die?“ oder „Wie schräiwen die sich?“

 

Der „richtige“ Familienname war also eigentlich nur dann wichtig, wenn man ihn schreiben mußte, also:

  • wenn man ein amtliches „Schräiwes“ unterzeichnen mußte,
  • wenn man von Amts wegen „erfaßt“ oder eingetragen wurde (wegen Steuern z.B.)
  • oder wenn man einen schriftlichen Vertrag machte oder einen Handel übers Dorf hinaus betrieb.
 

Innerhalb des vertrauten Dorfalltags genügten der Vorname und der „Hausname“, d.h. der Name, der unabhängig vom jeweiligen Besitzer zum Haus gehörte und sich auf die ganze Familie übertrug.

 

Am häufigsten ist der Hausname vom Vornamen des Erbauers abgeleitet oder von einem Vornamen der traditionsgemäß besonders oft in der Familie vorkam. (vgl. Piddasch Peter = den Peters ihr Peter.) Beispiele für solche von Vornamen abgeleitete Hausnamen sind in unserem Dorf besonders häufig:

 

  Gerje (Georg) Mainats (Meinhard?)
  Gerjehannese Nicolais
  Hanspittsches Kläse
  Philippsches Andrise (Andreas)
  Dinnes (Anton) Johannsches
  Franze Kaspasch
  Weatsjokobs (Wirt …?) Borjels (Walburga)
  Hanjupps Hammesklose (Hannes ? Klaus)
  Piddasch Meades (Martin)

 

Oft sind die ursprünglichen Namen auf den ersten Blick kaum wiederzuerkennen oder eindeutig zu bestimmen, weil sie im Laufe der Zeit vielfältig abgewandelt und „verballhornt“ wurden.

 

Kommt Theisen von Matthias?
  Seiments von Simon?
  Konats von Kuno?
  Schweggats von Swidger oder Swidbert?
  Zilles von Zyriakus?
  Zirwes von Servatius?
  Perkats von Pankratius?

 

Meistens nahmen die Kinder (Söhne) auch dann den zum Hausnamen gewordenen Vornamen mit, wenn sie ihrerseits ein neues Haus bauten und einen Hausstand gründeten. Um die gleichbenannten Häuser zu unterscheiden, wurde dem Hausnamen dann oft ein besonderes Kennzeichen hinzugefügt. Es betraf zum Beispiel die Lage der Häuser (Onne Franze – Owwe Franze, Hiestasch – Backes-Hiestasch) oder den Beruf des Besitzers (zum Beispiel Schmitt-Klose). Außer auf die Vornamen beziehen sich die Hausnamen – wie ja auch die eigentlichen Familiennamen – oft auf

 

  die Berufe der Besitzer z.B. Säiats (Schweinehirt)
Säischnäirasch (Ferkelbeschneider)
oder Schmittklose
  auf ihre Herkunft z.B. Leja Pidda (Peter aus Lieg)
  auf eine Eigenart oder einen
„Übernamen“ des Besitzers
z.B. Langs
  auf eine Eigenart oder die Lage des Hauses z.B. Furte
 

oder später auf den mitgebrachten Familiennamen eines neuen oder eingeheirateten Besitzers

 

Unklar bleibt der Ursprung des Dorfnamens Zilshausen, der sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder veränderte:

  • 1346: Zullinshausen (erstmals in einer Aufforderung zur Zinszahlung erwähnt)
  • 1569: Sultzhausen
  • 1780: Zilzhausen
  • 1830: Zülshausen
Ist er ursprünglich von dem christlichen Vornamen Zyriakus (wie die Treiser Zilleskapelle) abgeleitet, oder hat er mit Sulz ( = Salzwasser) und Sumpf zu tun?

 

Die eigentlichen Familiennamen für das Volk wurden in Deutschlands erst um 1200 eingeführt (die Entwicklung der Städte, der Stände und des Handels machten sie nötig).Sie entstanden wie die Hausnamen aus: Vornamen, Berufs-, Orts- oder Herkunftsbezeichnungen oder Personeneigenschaften oder örtlichen Besonderheiten.
Der Wandel vom Gebrauch der alten Hausnamen zu den offiziellen Familiennamen passierte im Dorf zuerst nur in Einzelfällen oder ganz allmählich.

Ein Beispiel:
Piddasch Karl war der Karl Michels aus Lahr, der in der Schreinerei von Piddasch
(Ketter) Lehrling war und die Tochter Karola heiratete. Das von den beiden 1949 neuerbaute Haus hieß demgemäß Piddasch Karl oder (meistens) Piddasch Karola sei Haus. Erst viele Jahre später wurde aus dem längst selbstständigen Schreinermeister (meistens) wieder Michels Karl und noch später aus Piddasch Karola Michels Karola und das Haus heißt jetzt (meistens!) Michels.

Auch auf den eingeheirateten Mann wurde also der Hausname übertragen; und erst in den letzten Jahrzehnten wird er, noch später auch seine Frau, unter seinem eigentlichen Familiennamen geführt.

 

Heute wissen die jungen Leute kaum noch, wer gemeint ist, wenn von den alten Hausnamen die Rede ist. Kein Wunder: Die dörfliche Abgeschiedenheit und Vertrautheit ist vorbei.Wir wollen deshalb die alten Hausnamen, so lange sie bei uns Alten noch lebendig und selbstverständlich sind, hier in der Chronik festhalten und in den folgenden Aufsätzen auch bevorzugt benutzen.


Die fortlaufenden Nummern in der Skizze und den folgenden Tabellen entsprechen weitgehend den damaligen fortlaufenden Hausnummern von Zilshausen und Petershausen.
 

Hauszeichen

Über die Einführung der neuen Straßennamen und Hausnummern im Jahre 1976 wird in der Chronik (1976) berichtet.


Bis zu der Erweiterung und der neuen Straßenbenennung gliederte sich das Dorf in Oberdorf, Unterdorf und Kirchweg. Die heutige Hauptstraße von der Schule bis zum Backes samt den kleinen Abzweigungen war das „Ewwadorf“, die heutige Kapellenstraße mit den Nebenwegen „Im Eck“ und „Weiherfurt“ das „Ennadorf“, der „Kirchweg“ führte von der „Backeskier“ in Richtung Petershausen und hatte nur einen Nebenweg, die „Furt“. Zwischen Oberdorf und Unterdorf verlief der „Balneck“, heute „Balduinseck“, vom Backes in Richtung des heutigen „Höhenwegs“, damals „Of da Hieh“, auch „Hennich da Häisa“.

 

 

Verlorengegangen sind leider die alten Hauszeichen, die wohl jahrhundertelang als Kennzeichen und ursprünglich wohl auch als Unterschrift für unsere des Schreibens nicht kundigen Vorfahren gegolten haben. Als „gemaane Liesa“ wurden sie in einem Lederbeutel im Backes aufbewahrt und zum Auslosen – etwa der Reihenfolge beim Backen – benutzt. Seit der Zerstörung des alten Backes in den letzten Kriegstagen sind sie verschollen.

 

Häuserbestand in Zilshausen etwa 1940

 

Nr. Hausname (Foto – bitte anklicken) Familienname Heutiger Name
1999
  etwa 1945
  OBERDORF  
1 Gerjehannese / Birschinger Corneli Corneli / Kochhan
2 Piese-Piddasch Pies / Birkenheier (vermietet)
3 Piese Hiester / Kävenheim Kävenheim
4 Dinnes Pies Pies
5 Hanspittsches Malmann Malmann
6 Philippsches Philippsen / Zimmer (abgebrannt)
7 Kippasch / Säischnäirasch Zilles / Kipper Kipper
8 Owwe-Franze Hiester Weirich
9 Busche Busch Etzkorn
10 Hammesklose / Hiestasch / „Dieze“ Hesser  
11 Weins / Backes-Weins Wendling Wendling
  BALNECK  
12 Konats Wendling / Schug Schug
13 Werz-Jakob Schmitt-Escher Escher
14 Hanjupps Steffens (vermietet)
15 Piddasch Ketter Kiesgen
16 Schreinasch Philippsen Streit
17 Meinats Meinhard / Weins Weins
18 Hiestasch Hesser Böhmer
  UNTERDORF  
19 Schwäizasch Schweizer Münning
20 Nikolais Nikolay Nikolay
21 Weins Junge (Gebrüder) Wendling Hildebrand
  IM ECK  
22 Säiats Oster (steht leer)
23 Eckese Eckes Eckes
24 Weinems Weinem Kaltofen
25 Bauasch / Schweckats Bauer / Börsch / Etges Kaspers + Franz
  UNTERDORF  
26 Perkats / Borjels ( = Walburga) Zimmer Liesenfeld
27 Bremme Bremm/Reifenschneider Reifenschneider
28 Klanasches Brodam Kramer
29 Dorese Morsch / Schönrock Kemmer (vermiet.)
30 Brauns Braun E. Morsch
  WEIHERFURT  
31 Holzhausersch / Philippsches Philippsen Zimmer
32 Wäre Arend Arend
  UNTERDORF  
33 Brodam / Nikolais Rudi Meurer  
34 Zorsch Marie Zorn Zorn
35 Zorsch Traud Zorn /Barden Zorn
36 Mäiasch Meurer (abgerissen)
37 Kläse Pidda Kölzer E. Kölzer
38 Kläse Scheuer (steht leer)
39 Kochans Scholz J. Scholz
40 Äwats Zilles Kemmer
41 Andrise Hansen / Wendling R. Wendling
(Kapelle) (Backes)    
  KIRCHWEG  
42 Johannsches Brodam Brodam / Kochan
43 Langs Lang / Ketter Ketter / Barden
  IN DER FURT  
44 Furte Steffen Platten
45 Minischs Philipp Münnich (abgerissen)
  KIRCHWEG  
46 Minisch-Schosta / Leinigers Münch L. Münch
47 Makasch Oster W. Oster
48 Kette Seul / Scheurer Scheurer
49 Mertes Änni B. Brodam (abgerissen)
50 Weinems Weinem Weinem
51 Theisens Theisen Kaul
52 Leja Görgen Biesenbach
  PETERSHÄUSERHOF  
53 Kneip Kneip Kneip
54 Leja / Schoochs Hesser / Schug Schug
55 Althausersch Häbler / Etges Reisgies
56 Miese / Kaspasch Mies Mies
57 (Pfarrhaus)   Pater Behrla
58 Pulja + Häbler Pulger Meinerz
  KIRCHWEG  
59 Schmittklose Zilles V. Zilles
60 Wäre Johann Ahrend Ahrend
  OBERDORF  
61 Backes-Hiestasch Hesser / Theisen Morsch
62 Gerje Pies Zeisler
63 Onne-Franze Hiester G. Hiester
64 Onne-Seimets Gräf Gräf
65 Daume Wendling / Ketter Wagner
66 Owwe-Seimets Weins / Kochhan Kochhan
67 Schnorre Liesenfeld Liesenfeld
68 Kettasch Pies Kneip
(Schule)   Stiebert

 

In Dommershausen befindet sich seit 1992 im „Alten Pfarrhaus“ ein Museum und eine Bibliothek der „Familienstiftung Pies-Archiv“. Dieses Archiv besitzt u.a. eine Sammlung von Familienbüchern, die nach Familiennamen alphabetisch verkartet wurden. Darunter befindet sich eine dreibändige Ausgabe des Famlienbuchs von Lütz, in der auch alle einstigen Einwohner von Zilshausen verzeichnet sind. Interessierte Zilshausener können darin Aufzeichnungen über ihre Vorfahren bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen!

 

3- Häuser – Höfe – Straßen

Oberdorfstrasse 1942

Viele der schönen alten Bauernhäuser, die das Dorfbild früher bestimmten, sind inzwischen verschwunden: verfallen und abgerissen, zerstört im 2. Weltkrieg oder nach dem Krieg so „modernisiert“ und umgebaut, dass von dem ursprünglichen Charakter kaum noch etwas übrig blieb.


Umso mehr können wir uns freuen, dass viele Dorfbewohner unserem Aufruf folgten, alte Fotos von ihren Häusern oder deren Vorgängern auszukramen und zusammenzutragen.

 

Denn so können wir wenigstens über die Fotografien einen Eindruck bekommen von dem Straßenbild unseres Dorfes „wie et frea woar“. Wie die Aufnahmen von Oberdorf und Unterdorf deutlich zeigen, standen die meisten der Häuser mit dem Giebel des Wohnhauses schräg an der Dorfstraße. Stall und Scheune waren an das Wohnhaus angebaut, und zwischen der Vorderfront und der Rückseite des Nachbarhauses befand sich der Hof.


Es war ein Wirtschaftshof mit Zugang zur Haustür, zum Stall und zur Scheune. Hier waren Fuhrwerke und Gerätschaften abgestellt. Hier saß das Holz bevor es geschnitten, gehackt und im „Holzschopp“ untergebracht wurde. Und auf dem Hof stand – praktischerweise gleich neben dem Misthaufen – auch der „Abtritt“ mit dem obligaten Herzchen in der Holztür.

 

Straßenszenen
  • Der Balneck: vor der“Befestigung“ zeigt den ganzen Gegensatz zum glatten, „aufgeräumten“ Zustand von Strassen und Höfen in unseren Tagen. „Spielzeug“ für Kinder (hier ein „Ploochwähnsche“) fand sich da jederzeit und überall. (Die Fahrer: Daume Adolf, Hiestasch Leo und Langs Rudi
  • Kirchweg: Klein Hermann (Oster) reitet über den Kirchweg. Die lockere Bebauung im Kirchweg (eine Seite war lange fast unbebaut) könnte darauf hindeuten, daß das Unterdorf der ältere Teil des Straßendorfs Zilshausen war.
  • Unterdorf: Tauwetter im Unterdorf

Der Balneck

Klein Hermann

Kind

Tauwetter

Tauwetter im Unterdorf

 

Standen die Häuser parallel zur Straße, waren sie so weit zurückgesetzt, dass der Hof zwischen Hausfront und Straße lag. Fast zu jedem Haus gehörte ein großer Nussbaum, der für den Wintervorrat eine wertvolle Ergänzung brachte und vor allem den darunter stehenden Wagen Schatten spendete, so dass die Holzräder im Sommer nicht austrockneten und aus den Fugen gingen. (vgl. Bäuerliche Arbeit im Laufe des Jahres)

 

Oberdorfstrasse 1929 (Postkartenausschnitt)

Da die Höfe durch die Arbeiten, vor allem durch die Fuhrwerke, sehr beansprucht wurden, war es ein Glücksfall, wenn sie aus „gewachsenem“ Fels bestanden, der im Laufe der Zeit eine sanft gewellte, glatte Oberfläche bekommen hatte. ( vgl. Bild) Der landesübliche Lehmboden war sowohl im trockenen, staubigen Zustand als auch im nassen, matschigen wenig brauchbar.

 

Viele Höfe waren daher „gesteckt“, das heißt, mit hochkant gestellten, dicht nebeneinander eingeklopften Bruchsteinstücken befestigt. Auch die Dorfstrassen waren zunächst auf diese Weise „gestückt“. Später wurden sie mit Kopfsteinpflaster, dann mit Teer und schließlich mit Asphalt gedeckt. (vgl. Chronik 1893-94)

 

Vor dieser Befestigung waren vor allem die Nebenstrassen, das Unterdorf, der Balneck, die Furt, die Weiherfurt und das „Eck“ in der nassen Jahreszeit verrufen wegen dem „Bratsch“, in dem man fast steckenblieb. Die alten Bilder des obigen Abschnittes Straßenszenen geben einen schwachen Eindruck von den unbefestigten Dorfstrassen, wo der „Pull“ vom Misthaufen einfach „de Grawwe ronna laaft“.


Zwei kleine Beispiele können die Situation illustrieren:

 

  • An Weihnachten, wenn das „Christkind“ (ein Mädchen aus dem letzten Schuljahr) den Kindern ihre Geschenke überbrachte, mußte es oft genug mit seinen himmlischen Begleitern, den beiden „Engeln“, von handfesten jungen Männern zu seinem Einsatz getragen werden, damit die weißbeschuhten Füße und der Saum der Gewänder nicht mit dem irdischen Unflat in Berührung kamen!
  • Die andere Erinnerung bezieht sich auf den sonntäglichen Kirchgang nach Petershausen. Bevor das „Ennerdorf“ gepflastert war, war es kaum möglich, mit halbwegs sauberen Sonntagsschuhen bis zum Backes zu gelangen. Man zog also die „wärdesse Genäälde“ (hohe genagelte Werktagsschuhe) an und trug die blankgeputzten „Sonnesse“ bis zum Backes in der Hand. Dort wechselte man das Schuhwerk, ließ die Nagelschuhe im Backes zurück, ging „anständig“ of Birrasch und zog auf dem Heimweg am Backes wieder die matschgewohnten Nagelschuhe an.

Haus Nr. 11: Backes-Weins (Wendling)

Haus Nr. 11: Backes-Weins (Wendling)

Das Wohnhaus – manchmal etwas älter und niedriger als der angebaute Stall- und Scheunentrakt – war fast immer ein Fachwerkbau. Die dekorativen Balken waren allerdings wegen der Wärmeisolierung oft ganz oder teilweise verputzt. (Bild oben) Vor der Kirmes wurden die Häuser regelmäßig frisch geweißelt oder mit zart getönter Kalkfarbe getüncht.

 

Der Sockel des Wohnhauses sowie der untere Teil von Scheuer und Stall bestanden gewöhnlich aus Bruchsteinen. Die Wetterseite, der Giebel und auch das obere Stockwerk hatten oft einen, zum Teil kunstfertig verzierten, Schieferbeschlag. (An Schiefergruben, z.B. die Laiekaul im Zelser Bachtal, fehlte es ja hierzulande nicht.) – Schutz bot auch das an Hunsrückhäusern früher typische Wetterdach.  ( Haus 18 und 44)

 

Die Grundrisse der Häuser im Dorf waren damals weitgehend gleich, was sich auch nach außen in der Anordnung der Fenster zeigte und auf vielen der folgenden Bilder zu sehen ist. (vgl. den Grundriss zu Haus 18)

 

Neben dem Eingang, zum Giebel hin befindet sich das größte Zimmer im Haus, die „Stuff“. Sie hat zwei Fenster zur Hof- und ein oder zwei zur Giebelseite. Stellwände für Möbel waren damals nicht besonders gefragt:  Wichtig war ein großer „Stuffedesch“ mit genügend Platz auf Bank und Stühlen – etwa für die Kirmesgäste – und ein Ofen. Statt eines Schrankes genügte oft das „Dillche“, ein Wandbrett, auf dem dies und das abgelegt werden konnte, die Gebetbücher zum Beispiel. (So ein Dill, der „Schosseledill“ – das Schüsselbrett – befand sich übrigens auch in der Küche). „Of em Hous“, also im Obergeschoss, lag über der Stuff meist ein ähnlich großes Schlafzimmer, mit entsprechend angeordneten Fenstern und ebenfalls Stuff genannt. Die übrigen Räume im Haus waren nur Wohn-, Schlaf- oder Abstell-„Kammern“ und zum Teil sehr klein.

 

Im Haus Nr. 18 gab es, wie sicherlich auch in vielen anderen alten Häusern, oben neben der Treppe lange eine „Klarakamma“ (Kleiderkammer) auch „Däistakamma“ (Dunkelkammer) genannt, weil sie außer einem Glasfenster in der Türe keine Fenster hatte.


Das Fenster über der Haustüre gehörte zum oberen Gang oder zu der sog. „Gangkammer“. In kleineren Häusern lag der Stall unmittelbar neben dem Hausgang (Haustür und Stalltür lagen nebeneinander). Die komfortableren Häuser hatten dazwischen noch eine Kammer: Das Fenster (sehr selten sind es zwei) zwischen Haustür und Stall macht das auch nach außen hin sichtbar.

 

Haus Nr. 7: Kippasch

Haus Nr. 7: Kippasch

Auf den Bildern der Häuser 2, 18, 41 und 55 sieht man deutlich die für unsere Gegend typischen dekorativ gestalteten Haustüren.


Ihre Breite – oft sind es Doppeltüren – ist nicht nur „Statussymbol“, sondern hat sehr praktische Gründe: Der etwas schmälere Teil wurde nur geöffnet, wenn man den Platz brauchte, zum Beispiel wenn nach dem Dreschen die Getreidesäcke auf den Speicher getragen wurden. (Korn, Weizen, Hafer und Gerste wurden hier in getrennten Haufen auf den Boden geschüttet und mussten dann regelmäßig „gemengt“ werden, um Käferfraß und Feuchtigkeit möglichst zu verhindern.) Entsprechend der Haustür war auch der Hausgang relativ geräumig. Er führte direkt auf die Treppe zu, die wegen der Wärme eingeschalt und unten mit der Treppentür abgeschlossen war.

 

Neben der Treppe ging es in die „offene Küche“, die als solche in einigen Häusern noch bis in die 30er Jahre existierte. Sie war im Winter kalt und zugig, und daher gab es neben der offenen Küche mit einem Fenster zum Giebel hinaus das „Kechekämmache“, das einen Holzboden hatte, das warm und gemütlich war und in dem im Winter auch gegessen wurde.


Die Küche war durch die „Schall“, eine Art Durchreiche, mit der Stuff verbunden. Nach hinten hatte sie einen Ausgang zum Garten oder einer kleinen Obstwiese und zum meist vorhandenen Hausbrunnen, „dem Boa“, wenn dieser sich nicht direkt in der Küche befand.
Und immer gab es von der Küche oder dem Hausflur auch einen Zugang zum Stall oder (wenn vorhanden) der Viehküche.

 

Die hier beschriebene Grundform der Häuser geht zwar zum Teil vom ursprünglichen Grundriss des Hauses Nr. 18 aus, fand sich aber mit geringen Abwandlungen noch bis nach dem Krieg in fast allen alten Häusern wieder. Später wurde immer mehr modernisiert und umgebaut, wurden die kleinen dunklen Kammern zu größeren Räumen zusammengefaßt und durch große Fenster aufgehellt.

 

Gelungene Modernisierung eines alten Bauernhauses in den 90er Jahren:

 

Der ehemalige Stall links von der Haustür wurde harmonisch in den Wohnbereich einbezogen, teilweise auch als Stall benutzt Das Wetterdach wurde nachträglich im landesüblichen Stil angefügt. (vgl. Haus Nr. 18)

 

Haus Nr. 44: „Furte“ (heute Platten)

Haus Nr. 44: „Furte“ (heute Platten)

 

In neuester Zeit werden die alten Häuser zunehmend von „Fremme“, d.h. Zugezogenen, gekauft und mit mehr oder weniger Sinn für ihr altes Gesicht repariert oder umgebaut. Die jungen Zelser bauen dagegen meistens an den Rand des Dorfes und geben ihm dadurch ein neues, anderes Erscheinungsbild.

 

Und das gab´s auch noch in den alten Häusern

 

die Schall: eine Art Durchreihe zwischen Küche und Stuff
die Kellaschorp: eine in die dicke Bruchsteinmauer im Keller eingelassene Nische zum Kühlhalten von Lebensmitteln oder Wein.
das Pondloch: Öffnung in der Zimmerdecke, um Wärme von unten in die oberen Räume zu leiten.
das Betteck: ein Alkoven in der Stuff
die Kaawezeech: das mit gereinigtem Haferspreu alljährlich nach dem Dreschen frisch gefüllte, äußerst warme, gemütliche Unterbett
die Klarakest: Truhe, in der die Sonntagskleider aufbewahrt wurden (statt Kleiderschrank) Wintermäntel gab es bis in die 40er Jahre noch kaum. Die Männer trugen eine dicke Jacke („en Ulles“), die Frauen meist ein „Emschlagdooch“.

 

HÄUSER IM OBERDORF

 

Die Fenstereinteilung, die dekorative „doppelte Haustür“ und die gleich daneben liegende niedrige Stalltür, deren oberer Teil hier zugleich das Stallfenster ersetzt, sind typisch für viele alte Hunsrückhäuser.

 

Haus Nr. 2

 

Haus Nr. 2: Piese-Piddasch bei der Arbeit

Haus Nr. 63

Haus Nr. 63: Onne-Franze spannen an

 

  • Haus Nr. 65: „Daume“: Das Haus erhielt in den 30er Jahren den Schieferbeschlag und den Haustürvorbau. Im Hintergrund der alte Backes

 

Haus Nr. 65: „Daume“

 

Haus Nr. 64

Haus Nr. 12

  • Haus Nr. 64: „Owwe-Seimets“: Der untere Teil ist ein Bruchsteinbau, das obere Fachwerk ist zum Teil verschiefert
  • Haus Nr. 12: „Konats“ ( Schug ) Vetter Gustav vor dem am 14. März 1945 durch Granaten zerstörten Haus
 
HÄUSER IM BALDUINSECK

Der Balneck

Der Balneck mit

  • Haus Nr. 16: „Schrainasch“ (links im Vordergrund)
  • Haus Nr. 17: „Mainats“ (Mitte)
  • Haus Nr.12: „Konats“ (hinten rechts)
  • Schwäizasch, Haus Nr. 19: ist wohl eines der ältesten Häuser im Dorf. Es hatte ursprünglich auch einen Zugang vom Balneck aus
  • Haus Nr. 14: bei Hanjuppswurde renoviert
IM BALNECK

Das alte Haus mitsamt der hinten ans Haus angebauten Schreinerwerkstatt brannte 1921 infolge eines Blitzeinschlags ab und wurde neu aufgebaut (siehe nächstes Bild) (Zum Fototermin fand sich früher gern auch die weitere Verwandtschaft ein)

Haus Nr. 15: „Piddasch“

Haus Nr. 15: „Piddasch“

Das „neue“ Haus 1927

Das „neue“ Haus 1927

Haus Nr. 18: „Hiestasch“ – Anfang der 20er Jahre

Haus Nr. 18: "Hiestasch" - anfangder 20er Jahre

Bevor der Hof durch die Mauer begrenzt wurde, sah man deut- lich den „gewachsenen Fels“. Der Briefkasten neben der Haustür weist auf die Poststelle im Haus hin. (In der großen Schürze der „Postmeister“, Küster und Bauer Hiestasch Philepp)


Das Haus wurde um 1800 gebaut und zeigt das im Hunsrück zu dieser Zeit häufige hohe gebro- chene Dach und das Wetterdach. (vgl. Lieg und Dörfer um Simmern)

 

1940

  • Ursprünglicher Grundriss von Haus Nr. 18 (Skizze)

Grundriss von Haus Nr. 18

K = Küche
KK = Küchenkämmerchen
VK = Viehküche
KA = Kammer
B = Betteck (Alkoven- etwa bis 2. Weltkrieg)
Fl = Hausgang
 
HÄUSER IM UNTERDORF „IM ECK“
  • Haus Nr. 24: „Weinems“ 1931: Das Haus wurde etwa 1880 von Joh. Weinem erbaut. Die linke Haustür und die beiden Fenster links gehören zu seiner Schreinerwerkstatt, die bis Ende der 20er Jahre im Betrieb war.
  • Der Giebel des Hauses (die„Wetterseite“) ist mit Schiefer beschlagen.
  • Haus Nr. 22: „Säiats“: Das Wohnhaus wurde um 1900 gebaut und steht seit Jahren leer

Haus 24

Haus 25

Haus Nr. 22: „Säiats“

HÄUSER IM UNTERDORF
  • Haus Nr. 40: „Äwats“: Das Haus wurde wegen Baufälligkeit abgerissen. Der Brunnen vor dem Haus befindet sich im Keller des neuen Hauses .
  • Haus Nr. 26: „Perkats“: Das alte Haus von Perkats, auch „Borjels“ genannt, stand in der Weiherfurt und ist Ende der 20er Jahre an einem Sonntag während dem „Amt“ zusammen mit „Wäre“ (Nr. 32) abgebrannt. (Siehe Chronik 1929)

Haus Nr. 40: „Äwats“

Haus Nr. 26: „Perkats“

Haus Nr. 26: „Perkats"

 

HÄUSER IM UNTERDORF und IM KIRCHWEG
  • Haus Nr. 41: „Andrise“ in den 20er Jahren: Vor der Haustür Andrise Jusep, der erste Zelser Glöckner, mit seiner Familie und der Schwägerin Andrise Marie (M. Hansen)
  • Haus Nr. 51: „Theisens“: Die Häuser Nr. 50, 51 und 52 im Kirchweg wurden um 1900 von einem auswärtigen Bauherrn erbaut und verkauft.

Haus Nr. 41: „Andrise“

Haus Nr. 41: „Andrise“

Haus Nr. 51: „Theisens“

 
HÄUSER IN PETERSHAUSEN

 

HÄUSER IN PETERSHAUSEN

Alter Kirchturm am Friedhof, am linken Bildrand Haus Nr. 53 (Kneip), am rechten Bildrand Haus Nr. 58 (Pulger), neben der neuen Kirche und dem Pfarrhaus im Hintergrund Kaspasch (Mies).

 

Haus Nr. 55: „Althausersch“:

 

(Bes. Häbler, später Etges) ist das älteste Haus vom Petershäuser Hof und geht möglicherweise auf den 1275 erwähnten Engelporter Hof in „Budershausen“ zurück. Bis 1890 (s. nächstes Bild) war er der einzige Hof in Petershausen. (Näheres über die Engelporter Höfe s. bei F. Schneider S. 62 ff.)

 

Haus Nr. 55: „Althausersch“

Scheuer und Stall wurden 1945 durch Granaten teilweise zerstört und später abgerissen. Das Wohnhaus wurde durch die heutigen Besitzer Reisgies renoviert und mit Schiefer beschlagen.

 

Haus Nr. 53: „Kneip“

Haus Nr. 53: „Kneip“ : Die Häuser Nr. 53 (Kneip) und 54 (Schug, ohne Bild) wurden um 1890 erbaut.

 

4- Dörfliche Stille“

Vom bäuerlichen Alltag und den Geräuschen, die das Tagwerk begleiten

 

Die sprichwörtliche „dörfliche Stille“ ist eher eine Sache unserer Tage, wo die Straßen – abgesehen von ein paar Autos – fast wie ausgestorben sind.


In der „guten alten Zeit“, als noch jedes Haus im Dorf seine eigene kleine Landwirtschaft betrieb, begleiteten die typischen Geräusche das bäuerliche Tagwerk vom frühen Morgen bis zum Dunkelwerden.

 

Zunächst spielten sich, auch im Sommer, die Aktivitäten im Haus und im Stall ab. Schon vor dem Morgenläuten stand man auf, ging „die Trapp ronna“ in die Küche, machte mit „Schlivvare“, dem Kleinholz, das man am Tag zuvor gehackt hatte, mit etwas Stroh, Holzscheiten und einem „Fixfoua“ (Streichholz) das Herdfeuer an und stellte Wasser auf. Dann ging es gleich in den Stall zum Melken, denn um halb sieben holte der Kläse Pidda die Milchkannen ab.


Als erstes musste dem hungrigen Vieh „en Haffel Hai dargedoo“ werden. Man hörte im Dorf genau, wo das Vieh am Morgen nicht beizeiten versorgt wurde: Aus einem sanften Muhen wurde allmählich ein immer ungeduldigeres langgezogenes Brüllen; und die Schweine mit ihrem aufgeregten Grunzen, das sich schnell zu durchdringendem Gequieke steigerte, stimmten ein in das weithin vernehmbare Stallkonzert.

Der Bauer versorgte also das Vieh mit dem am Tage zuvor vorbereiteten Futter: mit Heu und Häcksel oder frischem Klee, während die Frau mit Kopftuch und Stallschürze zwischen den Kühen auf dem groben dreibeinigen Melkschemel saß, den jeweiligen Kuhschwanz mit dem Melkeimer fest zwischen die Knie geklemmt. Und dann hörte man in dem ruhigen Stall das leise Klirren der Ketten, das mahlende Kauen der Kühe und das rhythmische Geräusch, mit dem der scharfe Milchstrahl in den metallenen Eimer spritzte.


Es war nicht eben viel Milch, die die Kühe hergaben, die ja oft auch Fuhr- und Arbeitstiere waren und kein besonders üppiges Futter bekamen. Was nicht für den Haushalt oder eventuell für die Kälber gebraucht wurde, kam in die Milchkanne der Kastellauner Molkerei und wurde zum Abtransport auf die dafür vorgesehenen Holzbänke an Backes-Weins und den anderen Sammelstellen im Dorf gebracht.


Pünktlich um sechs Uhr polterte Kläse Pidda „mit Karacho“ mit seinem leeren Milchauto durchs Dorf, um in Lieg und Lahr die Milchkannen abzuholen; und eine halbe Stunde später war deutlich zu hören, dass auch in unserem Dorf die Kannen mit Schwung auf den offenen Lastwagen bugsiert wurden. Das war eines der täglich zuverlässig sich wiederholenden Geräusche im Dorf.

 

Waren Milch und Vieh fürs erste versorgt, wurde in der Küche Kaffee getrunken. Meist war es „Malzkaffee“ aus dem im Backes beim Brotbacken gerösteten Korn. Auf die großen Schnitten vom kräftigen selbstgebacken Brot kam manchmal Butter, öfter „Klatschkäs“ oder „Schmeer“ (Apfelkompott, „Quetscheschmeer“, „Bierekrout“) oder „Schelee“.


(Wer sich, wie der „Elberfeller Paul“, der Feriengast aus der Großstadt, auf das Butterbrot mit Gelee auch noch obendrein den Klatschkäs lud, der riskierte, dass man im Dorf mit Missbilligung über ihn sprach).

 

Nach dem Frühstück ging die Arbeit im Stall weiter. Das Vieh musste getränkt, die Schweine gefüttert, der Stall gemistet werden. Die Eimer klirrten und schepperten, die Schweine grunzten und schmatzten und stießen mit den Köpfen gegen die Futterklappe über ihrem Trog, und der Karst kratzte über den Steinboden im Stall, wenn der Mist herausgezogen wurde. Die vollgeladene Mistkarre quietschte oder knarrte, wenn man sie zum Misthaufen schob und auskippte. Und dazwischen hörte man, wie der Bauer – je nach Temperament beruhigend oder laut schimpfend – das Vieh anrief, die „Bläss“, „Braun“ oder „Aischa“, wenn sie stur der Arbeit im Weg herum standen.


Zurufe wie „Kooom Aischa!“, „Gieste zreck!“, „Mach dich mol henne remm!“ und ähnliche begleiteten die Arbeit mit dem Vieh auch weiterhin durch den Tag. So zum Beispiel, wenn zum Futterholen der Wagen angespannt wurde. Beim Anspannen drangen die lautstarken Aufforderungen an potentielle Helfer, die gerade in der Nähe waren: „Gieh, holl ma mol die Lain“ oder „Breng ma mol die Seens!“ vom Hof herüber bis auf die Straße – ebenso wie das Geräusch von Ketten, „Silleschäid“ und Deichsel und auf den Wagen geworfenen Gerätschaften (Sense, Rechen und Gabel). Dann rumpelten die Wagen mit den hohen dünnen, eisenbereiften Holzrädern über die holprigen Dorfstraßen zum Kleefeld und später, mehr oder weniger voll beladen, wieder zurück.


Schon wenn man bedenkt, dass vom Mai bis zum Herbst von jedem Haus jeden Morgen frisches Futter geholt werden musste, kann man sich vorstellen, dass der Geräuschpegel auf den Straßen auch vor dem Aufkommen der lauten Bulldogs recht beachtlich war. Aber die eigentlichen Lärmmacher kamen ja noch dazu: Je nach der Jahreszeit und der anfallenden Feldarbeit rumpelten außer den Wagen, die Futter, Holz, Mist, Pull, Kartoffeln, Heu, Getreide, Rüben und anderes mehr transportierten, auch die verschiedenen Arbeitsgeräte mit ihren unverwechselbaren „Tonarten“ daher. Am lautesten waren die Mäh- und Dreschmaschinen, der Pflug auf dem Pflugschlitten oder dem „Ploochwähnche“ und vor allem die donnernd hinter dem Wagen herrollende hölzerne, später metallene „Well“.

 

Da mussten dann manches Mal die frei im Dorf herumlaufenden Hühner laut gackernd und flügelschlagend flüchten. Da bellten Hunde, die neben dem Wagen herlaufen durften, und die anderen, die an der Kette vor ihrer Hütte bleiben mussten, jaulten ihnen hinterher.
Und vor allem waren da die Kinder, die mit ihrem Ranzen, aus denen die Tafelläppchen hingen, mit ihren Nagelschuhen und (die Mädchen) mit ihren Schürzen laut schwätzend und schreiend in die Schule und später wieder heim trabten.


Vor Mittag – gegen elf – kam das Milchauto von Kastellaun zurück und lud mit unüberhörbarem Geklapper an den vorgesehenen Stellen die Milchkannen wieder ab, die inzwischen eine der abgegebenen Morgenmilch entsprechende Menge Magermilch enthielten. (Die „Kastelläiner Melich“ roch im Sommer meist schon etwas säuerlich und wurde den Schweinen gegeben. Am Wochenende benutzte man sie aber auch, um den geputzten Fliesen- oder Holzböden einen gewissen Glanz zu verleihen.)


Zwischen elf und halb zwölf läutete es Mittag, und für die Zeit des Mittagessens kehrte ein wenig Ruhe ein auf den Straßen. Zur Zeit der Ernte oder anderer dringlicher Arbeiten war die Pause allerdings nur kurz. Mit den Jahreszeiten änderten sich die Arbeiten und damit die typischen Geräusche, die von Scheunen und Höfen auf die Straße drangen. Jeder, der das Leben im Dorf aus früheren Tagen

kennt, erinnert sich an das rhythmische, metallisch helle Dengeln der Sense, wenn sie auf dem Dengelstock gehämmert wurde.Den Wetzstein benutzte man vor allem auf dem Feld zum Nachschleifen. Er steckte daher immer in dem am Gürtel des Mähers hängenden „Schlorrafass“, einer Art Köcher aus Blech, in dem etwas Wasser war. Das schrill aufkreischende Geräusch des Schleifsteins hörte man nur, wenn die Messer von Mähmaschinen oder wenn Sägen geschärft wurden.


Ein anderes unverwechselbares, oft ohrenbetäubendes Kreischen gab´s im zeitigen Frühjahr, wenn die Kreissäge auf den Hof kam und das Holz geschnitten wurde. Das Holzschneiden und anschließend das Holzhacken sowie das unregelmäßige klackende Geräusch der auf den Holzhaufen oder in den Korb geworfenen Scheiter haben sich in meiner Erinnerung untrennbar mit Frühling und ersten warmen Sonnenstrahlen verbunden, – und irgendwie gehört auch das leise Brummen eines langsam und hoch am blauen Himmel dahinziehenden Flugzeugs zu dieser nostalgischen Erinnerung.


Im Spätsommer und Herbst, wenn die Ernte eingefahren war, vernahm man dann das anhaltende an- und abschwellende Brummen der Dreschmaschinen aus den Scheunen. Manchmal zischten oder schnarrten sie auch ganz bedenklich oder verstummten ganz, wenn oben eine Korngarbe zu hastig eingestopft wurde oder gar ein Stein in die Maschine geriet.


Bevor es die großen mobilen elektrischen Dreschmaschinen gab, war das Getreide mit kleinen in die Scheune eingebauten und mit Benzin, noch früher mit dem „Gewel“, dem Göpel, betriebenen Maschinen gedroschen wurden. Und davor hatte man „die Frocht“ über den Winter mit Dreschflegeln auf der Tenne ausgedroschen.

 

Um sich eine elektrische Dreschmaschine leisten zu können, musste man sich zunächst immer in einer Gruppe von Bauern (Nachbarn oder Verwandte) zusammenschließen; und in dieser Gruppe half man sich dann auch gegenseitig an den Tagen, wo „maschinnt“ wurde. (vgl. Kapitel 6)

 

Wenn die Dreschmaschine auf den jeweiligen Hof gezogen und in die Scheune bugsiert wurde, standen dem Haus immer ein oder mehrere Tage Ausnahmezustand bevor. Die Arbeit begann am frühen Morgen und dauerte – mit Frühstücks-, Mittags- und Kaffeepausen – bis zum Abend. Eine Menge Hilfskräfte waren vonnöten: Meistens zwei größere Kinder warfen die oben in der Scheune gestapelten Garben auf die Maschine, wo zwei weitere Personen saßen: eine, die die Garben aufschnitt, eine andere, die sie mit Geschick und Vorsicht gleichmäßig „eingeben“ musste. Unten in der Scheuer mussten zwei Personen abwechselnd „abraffen“, das heißt, das leergedroschene Stroh aus der Maschine entgegennehmen und mit vorbereiteten Strohseilen zu schweren Bürden zusammenbinden. Eine weitere Person war nötig, um die „Beade“ hinaus auf den Hof zu schleppen, wo sie meist ein starker Mann mit der Gabel zu einem großen Strohgebirge stapelte. Für die kleineren Kinder war das ein Tummelplatz, bis das Stroh am Abend, wenn der Motor abgestellt war, wieder in der Scheune verschwand.


Die Männer waren damit beschäftigt, die häufig auftretenden Störungen an der Maschine zu beheben und die schweren Getreidesäcke auf den Speicher zu tragen. Die Sache der Hausfrau und vor allem der Großmutter war es, mit Kaffee, „Stecka“ und am Mittag mit einem großen Topf Bohnensuppe mit Rahm für das leibliche Wohl der in Staub und Hitze hart arbeitenden Mannschaft zu sorgen. Wenn „maschinnt“ wurde, ging es bei aller Mühsal aber meist auch recht laut und gesellig zu, so dass das Maschinengebrumm oft übertönt wurde von Zurufen und Lachen der verstaubten und verschwitzen Schaffer.


Wenn nach einem langen Arbeitstag der Motor der Dreschmaschine abgestellt wurde und mit einem abschwellenden Geräusch verstummte, dröhnte das Brummen im Kopf noch lange nach und man sprach lauter als gewöhnlich. Später im Jahr waren es die dumpf rumpelnden Kartoffeln, die aus den Säcken über eine Holzschütte ins Kellerloch kullerten oder die beim Ausladen polternden „Rommele“, die Runkelrüben, die das Geräuschbild des Dorfes mitbestimmten.


Allmählich ging´s dann wieder ruhiger zu im Dorf. Und wenn man einander auf der Straße begegnete, hatte man wieder mehr Zeit für einander. – Es sei denn, man war mit großen Kuchenblechen unterm Arm auf dem Weg zum Backes oder mit der Kuh oder der Wutz auf dem Weg zum Stier bzw. zum „Watz“ (Eber). Ein Schwein durchs Dorf einem bestimmten Ziel zuzutreiben, das war gar nicht so einfach und forderte neben einer festen Rute auch viel gutes oder laut drohendes „Zureden“.


Ebenso spannend war es zuzuschauen, wie „en stearisch Koh“ mit ihren „Führer“ an der kurzen Leine durchs Dorf tanzte, wenn sie zum „Gemaane-Stea“, dem Gemeindestier gebracht wurde. Die Straßenszene war also immer gut für lebhafte und vielfältige „Kommunikation“.

Einige Tätigkeiten in Haus, Stall und Scheuer wiederholten sich in ähnlicher Abfolge das ganze Jahr hindurch. Jeden Tag musste das Vieh gefüttert und das Futter vorbereitet werden:


Die „Säikrombiere“, kleine oder beim Ausmachen „angegrabene“ Kartoffeln und Küchenabfälle, wurden in einem großen Topf auf dem Küchenherd oder in der Viehküche gekocht und, wenn sie abgekühlt waren, mit der Hand gequetscht. (Das war eine anstrengende, aber wirksame Massage für die Hände der Bäuerin, die dabei zart und „porentief sauber“ wurden.)


In der Scheune standen u.a. drei Hilfsgeräte, die bei der Futterzubereitung gebraucht wurden: Die Schrotmühle, mit der Korn und Hafer zu „Geschrääts“ gemahlen wurde, hatte schon relativ früh einen Benzinmotor. Die beiden anderen wurden lange mit der Hand gedreht.
Mit dem großen gefährlich aussehenden Messerrad der Häckselmaschine wurde Stroh kleingeschnitten; und die „Gretzmill“ zerkleinerte mit schmatzenden Geräuschen die „Rommele“.


Wenn es kein Grünfutter gab, musste das oben in der Scheune nach der Ernte fest zusammengetrampelte Heu mit einem hakenartigen Gerät gerupft und auf die Scheunentennen hinuntergeworfen werden.

 

Das „Hairoppe“ war eine Arbeit für die Kinder. Vor allem, wenn man zu zweit auf dem dämmrigen Heuboden war, machte es dabei großen Spaß, mit mehr oder weniger Geschick möglichst hoch auf das Heugebirge unterm Scheunendach zu klettern, um dann mit Halloo wieder herunterzurutschen. Versorgt werden mussten am Abend auch die kleineren Tiere. Die Katzen bekamen nach dem Melken im Stall ein Tellerchen Milch. Im übrigen versorgten sie sich selbst – sie waren ja zum Mäusefangen da.


Die Hühner kamen in der Dämmerung spätestens von ihren Ausflügen ins Dorf und „unter die Wiesen“ auf den Hof zurück und warteten auf das vertraute“Kooom, bibibibib!“, mit dem ihnen ihr Futter angekündet wurde.

 

Anschließend gingen dann auch sie „die Trapp eroff“, nämlich die Hühnerleiter, die außen an der Scheunenwand zu dem Hühnerhaus „of da Schoua“ über dem warmen Stall führte. Danach wurde die an einer Schnur befestigte Hühnerklappe heruntergelassen. Nach dem Füttern versammelte man sich auch im Haus zum Abendessen. Am häufigsten gab es Dickmilch mit Kartoffeln, manchmal Brot mit „Eiaschmeer“ oder auch „Stompes“ (Kartoffelbrei) mit Endivien oder „Mausohr“.. Und meist wurde es nicht allzu spät, bis es hieß: „Ich machen mich die Trapp eroff“, denn der nächste Tag fing wieder früh an.

 

„Kooom .. Bibibibib!“
Stadtkind als landwirtschaftliche Hilfskraft bei Hiestasch Lien Kleintierfütterung

Hanjupps Maria leistet Überlebenshilfe

5- Zum Feld- und Viehbesitz vor 1940

Der Landbesitz der Bauern in unserem Dorf war natürlich immer sehr unterschiedlich. Da gab es die Armen, die nichts oder kaum mehr als 1 Hektar besaßen, und die „Reichen“ mit bis zu 15 ha. Zirka 3 bis 4 ha hatte der durchschnittliche Bauer, mit 6 ha war man relativ „wohlhabend“, und die „reichen Bauern“ besaßen in Zelse und Birrasch bis zu 15 ha.

 

Gerechnet wurde hierzulande allerdings früher nicht in Hektar und Ar; die gebräuchlichen Flächenmaße waren vielmehr: Morgen, Viertel und Ruten, deren Größe in den einzelnen Ländern (Preußischer Morgen, Hessischer Morgen etc.) variierten.

 

Im Laufe der Zeit zerfielen durch Erbteilung die einzelnen Felder in immer kleinere „Stegga“, so dass die Gemarkung allmählich wie ein Flickenteppich aussah (vgl. Pläne der Gemarkung vor und nach der Zusammenlegung von 1957 auf den folgenden Seiten). Pro Hektar zerfiel das Feld, einschließlich der Wiesen, in bis zu 12 mehr oder weniger kleine Parzellen oder „Stegga“, die über „de ganze Floar“, also die ganze Gemarkung, verstreut lagen.

 

Um in der Heuernte einen kleinen Heuwagen zu füllen, musste man oft drei verschiedene Wiesen anfahren, wo man jeweils „e Spetzje“ sein eigen nannte. Die Wege bis zu den entferntesten Feldern, die man zu Fuß oder mit dem von den sehr gemächlichen Kühen oder Ochsen – in den wenigsten Fällen vom Pferd – gezogenen Wagen zurücklegen mußte, dauerten nicht selten dreiviertel Stunden; das war, den Rückweg eingerechnet, meist länger als die eigentliche Arbeit dauerte.

 

Nikolais Johann fährt das auf den gepachteten Wegrändern gemähte Gras nach Hause

Konnte man sich nach der Arbeit auf einer Ladung Klee, Getreide- garben oder gar auf frischem Heu nach Hause schaukeln und rütteln lassen, dann war so eine Heimfahrt eine willkommene Ruhepause an einem arbeitsreichen Tag: Man saß oder lag halb eingesunken in die kühle, duftende, weiche oder auch pieksende Unterlage, träumte in den Himmel und konnte dabei Getreidekörner kauen oder süßen Nektar aus Kleeblüten saugen.


Die „kleinen“ Bauern hatten höchstens zwei Kühe im Stall; das bedeutete, daß sie zum „Fahren“, zum

Anspannen also, auf Nachbarschaftshilfe angewiesen waren, wenn eine Kuh gerade gekalbt hatte. 4 bis 6 Stück Vieh (z.B. 4 Kühe und 2 Ochsen) waren der durch- schnittliche Viehbestand.

 

Die Pferde im Dorf konnte man meist an zwei Händen abzählen.Kräftige Pferde wurden im Winter oft auch im Wald eingesetzt zum „Schorje“ ( d.h. gefällte Baumstämme aus dem Wald schleppen). Es war eine schwere Arbeit, denn es ging in dem unwegsamen Gelände oft „gäh“ bergauf und abwärts. Aber die Arbeit im Wald – mit oder ohne Pferd – war im Winter immer ein willkommener Zuverdienst.

  • (1) Ausschnitt aus dem Zelser Urkataster (Flurbuch) von 1835

Karte

Auf dieser Karte wird an den zahlreichen schwarzen Linien anschaulich sichtbar, in wie viele winzige Parzellen zu dieser Zeit die Felder in der Zilshausener Flur aufgesplittert waren.

 

(Es handelt sich um die Fluren im Südwesten des Dorfes in Richtung Kaisert und Düppenberg)

  • (2) Der gleiche Ausschnitt aus dem Katasterplan nach der Flurbereinigung von 1957: Die durchschnittliche Feldergröße war zu dieser Zeit etwa 0,65 Hektar
  • (3) Das neue Wegenetz im gleichen Bereich nach der Felder-Zusammenlegung 2001: Die durchschnittliche Feldergröße beträgt jetzt etwa 4,0 Hektar

 

1957

1957

2001

6- Bäuerliche Arbeit im Laufe des Jahres

Ende November, nach der „Herbstfurche“, also wenn die Felder gepflügt bzw. eingesät waren, wurde „de Floar zogemach“.Die vielen Felder, die durch Generationen von Erbteilungen z.T. winzig klein geworden waren, stießen an der „Anweld“ (dem gemeinsamen Grenzbereich) einfach aneinander und konnten nur über die Nachbarfelder erreicht werden. Um Flurschäden zu vermeiden, gab es daher (wie bei Wiesen und Weinbergen) feste Schließungs- und Öffnungstermine.

 

Im Winter ruhte die Arbeit auf den – damals noch! – tiefverschneiten und gefrorenen Feldern. In Haus und Scheuer gab es aber immer zu tun – vor allem Arbeiten, für die im Sommer und Herbst keine Zeit gewesen war:


Werkzeuge wurden repariert oder neu hergestellt: Stiele und Griffe, „Manne“ (große Körbe) und Besen, Pflugschlitten und „Reff“ (Auffangvorrichtung an der Sense beim Getreidemähen) und anderes mehr.


Vor allem aber musste im Winter das eingebrachte Getreide auf der Tenne mit dem „Flegel“ gedroschen werden. Dreschmaschinen (erst mittels Göpel, dann mit Benzinmotor und schließlich elektrisch angetrieben) gab es im Dorf erst nach dem ersten Weltkrieg.


Erbsen wurden – da das ergiebiger war – noch lange von Hand gedroschen. So auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg, wo die Not viele alte Bräuche und Techniken am Leben erhielt bzw. wiederbelebte.


Flachs baute man spätestens in den 20er Jahren nicht mehr zum Verspinnen, sondern nur noch in kleinen Mengen zur Leinsamengewinnung an. (Er ließ sich nicht mit der Sense mähen und musste mit der Hand ausgerupft werden.)


„Lainsoome“, Leinsamen, war ein heilsames Zufutter bzw. Heilmittel bei bestimmten Viehkrankheiten. „Lainollisch“ benutzte man noch lange als Pflege- bzw. Farbzusatzmittel für Holzböden, Balken und Scheunentore. Fußböden, die – besonders vor Feiertagen – mit Leinöl behandelt waren, blieben noch viele Stunden klebrig und konnten nur über daraufgelegte alte Zeitungen betreten werden. Außerdem war diese Art der Bodenpflege nicht zu „überriechen“. Jemand erinnert sich: „Via da Kermes hat dat ganze Dorf no Lainollisch geroch.“

 

Für die Frauen war im Winter endlich Zeit für die liegengebliebenen Näh- und Flickarbeiten. Auch Säckeausbessern gehörte dazu. Außerdem wurde gestrickt, vor allem Strümpfe, und noch bis in die Nachkriegszeit Schafwolle gesponnen. Spinnen und vor allem Stricken waren Arbeiten, zu denen sich Frauen an den dunklen Winternachmittagen und -abenden gern zusammensetzten.


Die Haustüren waren stets unverschlossen, und das „Strooßegie“ (das Über-die-Straße-Gehen zum Nachbarn) war jederzeit eine selbstverständliche und zwanglose, meist auch beim Nachbarn willkommene Angelegenheit.


Das strenge Gebot unserer Vorfahren, Licht zu sparen, war beim Stricken keine Einschränkung: Wenn man die Ofentür offen stehen ließ oder die Ringe von der Herdplatte nahm, gab das Herdfeuer einen ausreichenden Lichtschein in der Küche.


Nachdem um 1920 elektrisches Licht ins Dorf kam, dachten sich die Bauern manchen gescheiten Trick aus, um der „Stromverschwendung“ vorzubeugen. Nicht nur verwandte man selten Glühbirnen von mehr als 15 Watt, man brachte auch die Lichtschalter versteckt hinter der Türe an, so dass sie weniger leicht zugänglich waren und nicht „von jera anem agegrapscht“ (von jedem angefasst) und leichtfertig betätigt werden konnten.

 

Wenn die Tage wieder länger wurden, ging auch die gemütliche Zeit der Handarbeiten beim Herdfeuer zu Ende. Nach einem alten Spruch galt: „an Lichtmeß (2. Februar) – Spennrad vagess“.


Die Wald- und Feldarbeiten im zeitigen Frühjahr richteten sich nach der Witterung und dem Zustand des Bodens (Frost, Nässe etc.).
Wenn möglich wurde im Frühjahr „am Holz geschafft“ und Mist oder „Pull“ gefahren.

 

Arbeiten am Holz, Lohhecken schlagen, „Schanzen“ binden (Reiserbündel vor allem für den Backes), Brennholz heimholen und zerkleinern etc., und Arbeiten in den Wiesen: „Wisebotze“ und „Moldahääf fotmache“ (Wiesen und Maulwurfshügel glattmachen) und Hecken stutzen zogen sich neben den notwendigen Feldarbeiten durchs Frühjahr hin.


Im März wurde Hafer und Gerste gesät. Wintergerste gab es erst Ende der 50er Jahre und auch reine Weizenfelder wurden hierzulande erst spät eingeführt, da Weizen zu wenig robust war und auf unseren mageren Böden zu wenig Ertrag brachte, bevor es den Kunstdünger gab.

 

Mitte April wurden mit der“Ääsch“ (Egge) die im Herbst gepfügten Felder geglättet und – wenn „de Borrem net ze watzich (widerspenstig) woar“ – die Kartoffeln gesetzt. Mit der „Well“ wurde vor allem das Haferfeld bearbeitet, damit man bei der Ernte das wertvolle Haferstroh dicht über der glattgewalzten Erde, also möglichst lang, abmähen konnte.


Ende Mai oder Anfang Juni setzte man die „Rommeleplanze“, die im Hausgarten vorgezogen worden waren, ins Feld.

 

Im Juli, nach der Bornhofenwallfahrt, wurde „et Haimache gestallt“, d.h. die Heuernte konnte beginnen (vgl. oben: November). Schon morgens um vier Uhr waren die Mäher auf den taufrischen Wiesen bei der Arbeit. Das Frühstück wurde später von den Helferinnen gebracht, die dann auch das gemähte Gras zum Trocknen auseinanderbreiteten.

 

Zelser Fluren: Blick auf den „Acker“

 

„De Ähr“, die Getreideernte, fand meist erst nach der Kirmes im August statt.


Alle Familienmit- glieder mussten nach Kräften zu- packen. Vor allem, wenn das Wetter ungünstig war, waren Heu- und Getreideernte, de- ren Ertrag immer über ein gutes oder schlimmes Jahr entschied, die här- teste und hektisch- ste Zeit im Jahr.

 

Man rannte ins Feld, wenn Regen drohte, und stellte Kornkasten auseinander und wieder zusammen, um sie schneller trocken zu bekommen und vor Fäule und dem Auswachsen zu bewahren; und beim Einfahren wurde das Vieh vor den Erntewagen zu ungewohnter Eile angetrieben.

 

Im September wurde – wenn vorhanden – der Grummet gemäht, also das auf der Heuwiese inzwischen nachgewachsene Gras. Der „Groomet“ war ein im Winter besonders geschätztes, aber meist nicht besonders üppig wachsendes Futter.

 

Nach dem „Groometmache“ begann das „Krombiereousdo“, was mit dem Karst – später mit dem Pflug – meist wochenlang dauerte. Der „Kaffi“ auf dem Feld und das Kartoffelfeuer, in dem rohe Kartoffeln geröstet wurden, waren eine willkommene Unterbrechung, wenn man den ganzen Tag gebückt auf dem Feld stand, um mit dem Karst die Kartoffelstauden auszuhacken, sie abzuschütteln und die Knollen in Körbe zu raffen und dann in die Säcke zu füllen. Beim Aufraffen und Sortieren halfen auch die Kinder, die dafür im Herbst „Kartoffelferien“ bekamen. Wenn das Wetter warm und trocken, der Boden mürbe und der Rücken noch nicht zu rheumatisch war, konnte das Kartoffelaustun aber auch Spaß machen.


Als letzte Feldfrucht wurden im Oktober die Rüben geerntet und heimgefahren. Schon Wochen vorher war man „Rommele blarre gange“, d.h. man hatte die größten Blätter der Pflanzen abgedreht, zu Bürden gebunden und als Zufutter meist mit der Schubkarre nach Hause geholt. Vor der Rübenernte wurden auch die restlichen Blätter abgemacht und verfüttert. Sie waren schmackhaft, nahrhaft und milchtreibend, aber auch abführend. Gegen letzteres half sich das Vieh aber selbst, indem es besonders viel Stroh als „Beilage“ zu den saftigen Blättern verzehrte.

 

Das Jahr klang aus mit Pflügen und Korneinsäen. Mist wurde auf die Felder und Jauche mit den hölzernen „Pullfässern“ auf die Wiesen gefahren, und dann wurde für den Winter wieder „de Floar zogemach“.

 

Zelser Fluren: Blick über den „Wirremhof“ auf das Dorf

Zelser Fluren: Blick über den „Wirremhof“ auf das Dorf

 

Feldarbeiten im Zelser Floar

Frühjahrsbestellung

Kippasch Otto

Kippasch Otto sät ein

Holz

 

Kippasch Otto fährt das Holz heim, das bis „Johannistag“ aus dem Wald geholt werden musste.

Krombieresätze

 

Kneips Erwin und seine Mutter beim „Krombieresätze“

 

Hanjupps beim Heumähen und auseinanderbreiten ( = „Spraare“)

(Die ersten Bulldogs gab es im Dorf seit etwa 1957)

 

Spraare

 

of Schloue

 

 

Das Heu mußte bei un- günstigem Wetter, bei drohendem Regen oder Nacht- tau mehrfach „gehäppt“(siehe Bild oben) oder „of Schloue“ gemacht und wieder ausein- andergebreitet werden, bevor es trocken genug war zum Einfahren.

 

 

 

Bauersch beim „Zusammenmachen“


hinter den Häusern, wo seit 1964 der Aussiedlerhof steht

Zusammenmachen

 
Getreideernte

 

„De Ähr“ bei Bauersch (1944)

 

Und bei Hiestasch (1950) Vom abgemähten Korn nahm man eine Handvoll ab, knüpfte daraus ein Seil und band damit die Garben. Die wurden zusammengetragen und zu „Kasten“ (je neun Garben) aufgestellt. Ein „Haferkasten“ wurde mit wieteren drei Garben abgedeckt.

 

abgemähten Korn

Kasten

Kasten

 
Dreschen

„Bäi Daume werd maschinnt“

 

„Bäi Daume werd maschinnt“: Das Strohseil wird für den nächsten „Ärwel“ Stroh zurecht gemacht, der gerade aus der Maschine „abgerafft“ wird. Der typische fragend hochgerichtete Blick vom Bauern im Himtergrund bedeutet wahrscheinlich: „Klappt mal wieder was nicht mit der Maschine da oben?“ (Bild oben)

 

Langs Fritz

 

 

Langs Fritz (mit aufgespießter Strohgarbe) hilft dem Bruder Eduard (Ketter) beim „Maschinne“.

 

Säcke auf den Speicher tragen war meist „Chefsache“ (hier von Daume Eduard)

 
Erntehelfer

Mähbinder

 

Die neuen Maschinen –brachten große Erleichterung und wurden auch für Nachbarn oder Verwandte eingesetzt. wie (links) der Mähbinder von H. Gräf (ca 1950)

 

 

und (rechts) der Mähdrescher der „Kleine Lanz“ von A. Bauer

Mähdrescher

Sämaschine

 

Sämaschine von Weins Edmund (E.Wendling im Hintergrund, im Vordergrund seine Tochter Hedwig und Heini Philipsen, „Schreinasch Heini“)

 
Kartoffeln und Rüben

 

Fahrt aufs Feld

Auf dem umgelegten Seitenteil saß man bequem bei der Fahrt aufs Feld.

 

Kaffeepause

 

Geht´s zum „Rommele“ oder zum Kartoffelausmachen?

 

Auf jeden Fall ist eine Kaffeepause vorgesehen.

 

bei Hanjupps (Bild oben)
wie auch bei Bauersch (links)
(September 1940)

 

 

Wenn der erste Klee verfüttert war, wurden von den inzwischen herangewachsenen Runkelrüben die großen unteren Blätter abgedreht, zu Bürden gebunden und als saftiges Übergangsfutter nach Hause gefahren.

Rommeleblarre

 

Der Fuhrpark

 

Die beiden Wagen

 

 

Die beiden Wagen, der Erntewagen mit Leitern und der Wagen mit den geschlossenen Seitenteilen (Huade) für Mist, Rüben, Säcke u.a.m. standen, wenn möglich, unter dem Nussbaum.

 

In der prallen Mittagssonne wurden die Holzräder sonst so ausgetrocknet, dass sich der „Eisenskranz“, der eiserne Reifen, lösen und die gefügten Räder auseinanderfallen konnten. War kein Schatten gegeben, hängte man als Behelf bei großer Hitze nasse Säcke über die Wagenräder.

 

Herbstabend

Zu den letzten Arbeiten im Jahr gehörte das „Ploochfahre“.

 

Hier pflügt Kippasch Otto sein Feld in der stimmungsvollen Hunsrücker Abendlandschaft

Ploochfahre

 

7-Bräuche und Feste im Jahreslauf

Über alte Bräuche ist in der Chronik (z. B. 1893-94: Sitten und Gebräuche und 1910: Alte Sitten und Gebräuche) schon einiges Interessante gesagt:

  • über Geburt, Taufe („Kindcheskermes“) und Hochzeiten,
  • über Sylvester und Neujahr,
  • über den „fetten Donnerstag“ und die Backesasche, Fastnacht und die Fastenzeit,
  • über Spinnstuben und anderes mehr
Weihnachten:
Der Brauch, dass das Christkind mit zwei Engeln (dargestellt von Mädchen im letzten Schuljahr) am Heiligen Abend in die Häuser mit kleinen Kindern geht und sie mit den heimlich bereitgestellten Gaben beschert, besteht immer noch. Und an der gespannten Erwartung der Kleinen hat sich auch kaum etwas geändert.


Eine andere Sitte war (und ist es zum Teil noch), dass in der Heiligen Nacht ein Stück Brot vors Fenster gelegt wurde. Am Weihnachtsmorgen bekam jeder, Mensch und Vieh, etwas von diesem in der Hl. Nacht gesegneten Brot zu essen.


Der Brauch, dass es an „Chresdaach“ (wie auch zur Kirmes) das Zelser Nationalgericht gab, „Kappes on Erwes“ mit gekochtem Schweinefleisch, hat allerdings in den Zeiten verwöhnter Gaumen nicht allgemein überdauert.


 Ebensowenig wie die Sitte, dass in der Weihnachtswoche „de Patte-Weck getraa“ wurde, das heißt, dass der Pate oder die Patin (Pätt oder Geed) dem Patenkind (Pättche) das Patengeschenk brachte.  Meist bestand es aus etwas Praktischem zum Anziehen, begleitet von einer Tüte selbstgebackener Plätzchen („Stretzeplätzja“ oder „Dorchgedrähde“, also Spritzgebäck, „Schwarzweißgebäck“, Lebkuchen und Spekulatius) und manchmal drei glänzenden Markstücken, die in einen blanken roten Apfel gesteckt waren.

 

Der Aberglaube, dass in den Zwölf Hl. Nächten zwischen Heiligabend und dem Dreikönigsfest keine Wäsche gewaschen und aufgehängt werden durfte, steckt noch bis heute irgendwo tief drin in den älteren Frauen hierzulande, obwohl kaum jemand den Grund für das strikte Verbot kennt. Die Gefahr für Leib und Leben bestand wohl darin, dass die neidischen bösen Geister in dieser Zeit unterwegs waren und die auf der Leine hängende Wäsche – vor allem auch Windeln – verhexten, damit sie im kommenden Jahr dem Haus Unglück oder Tod brächten.

 
Ostern:

Auch am Ostermorgen gab es noch lange einen merkwürdigen Brauch:

 

Vor der Auferstehungsmesse zogen die Gläubigen mit Priester und Messdiener dreimal um die Pfarrkirche herum. Jedes Mal schlug dann der Priester mit dem Kreuz an die verschlossene Kirchentür und rief – jeweils in etwas erhöhter Tonlage: „Lumen Christi!“ Darauf antwortete von drinnen der Kirchenchorleiter: “ Dank sei Gott!“ Dann wurde von innen die noch dunkle Kirche geöffnet, und man ging hinein zum Gottesdienst.


Der Name dieses Osterbrauchs, „den Jaunus jagen“, ist vermutlich eine Verballhornung von „den Judas jagen“. Der Brauch entspricht der u.a. auch in der Eifel verbreiteten alten Sitte, den „Judas“, den Verräter, symbolisch auszutreiben, zu verbrennen, vom Kirchturm zu stürzen etc. Er ist wohl als einer der Bräuche im Umkreis der Karwoche zu sehen, die auch mit den alten Ritualen des Winteraustreibens in der Fastnachtszeit zusammenhängen, dem Maskentreiben, Knallen, Herumziehen und Strohpuppen verbrennen, die den Winter symbolisieren.

 

Leider ist eine alte Sitte eingeschlafen, die vielleicht ähnliche Wurzeln hatte. Bis in die 70er Jahre noch zogen die Kinder in den Kar-Tagen morgens, mittags und abends mit Klappern und Rumpeln durchs Dorf, um die schweigenden Kirchenglocken zu ersetzen, die, so hieß es, nach dem Gründonnerstagsgottesdienst „nach Rom reisten“ und erst zur Karsamstagsfeier „wieder zurückkamen“.

 

Der Lärm, den die Kinder dabei mit ihren Holzklappern und umgehängten „Rombelekäste“ hervorbrachten, wurde rhythmisch unterbrochen von einem Sprechgesang:

 

  Mittags hieß es am Karfreitag:   und am Karsamstag:
  „Meddaach, Hannekraach   „Meddaach, Hannekraach
  iwwamoa es Ustadaach“   annere Daach es Ustadaach“

 

Morgens und abends rief man stattdessen zwischen dem Rumpeln: „Ave Maria!“ (wobei das „i“ von Maria hoch und langgezogen intoniert wurde).

 

Die Kirmes: Ein Höhepunkt im Dorfleben war zweifellos die Kirmes, das Patronatsfest, das am Sonntag (nach) dem 22. Juli, dem Tag der Hl. Maria Magdalena, stattfand. Am Abend vor der Kirmes war fast aus jedem Haus jemand „am Poss-Oudu“, um die Kirmesgäste abzuholen, die von auswärts „heim“ kamen. (z.B. aus dem Ruhrgebiet, dem „Nirraland“ – vgl. dazu Chronik 1924/25). Auf dem Treppchen vor „Hammesklose“ (vgl. Bild), der Haltestelle des Postautos, drängten sich vor allem neugierige und aufgeregte Kinder, die ihren Besuch erwarteten. Die Spannung erhöhte sich zusätzlich, wenn die Zahl der Kirmesgäste so groß war, dass der Bus zweimal die Tour zwischen dem Kardener Bahnhof und Zilshausen zurücklegen musste. War „der Besuch“ dann endlich ausgestiegen, wurde er von den frisch gewaschenen und gekämmten Kindern stolz in Empfang genommen und durchs Dorf nach Hause geführt, und die Kirmes konnte beginnen.


Es war Sommer, die Ernte hatte meist noch nicht begonnen, Strassen und Höfe waren gekehrt, und fast alle Häuser im Dorf waren frisch getüncht. Die Kirmeskuchen waren gebacken, das Essen vorbereitet und die Stuff zum Empfang der „Kermesläit“ hergerichte. Auf dem weißgedeckten Tisch durfte der große Kirmesstrauß in der Glasvase nicht fehlen. Meist waren es bunte Dahlien aus dem Garten. Die Kinder freuten sich am meisten, wenn am Backes, auf dem Hof von Langs oder von Backes-Hiestasch Mina ein kleines Karussell oder eine Schiffschaukel aufgebaut war. Fast immer gab es eine Schieß- oder Wurfbude und für die ganz Kleinen die „Rabbelekatz“, den Tisch mit dem Glücksrad, an dem man für wenige Pfennige herrliche Kostbarkeiten gewinnen konnte: „Armbanduhren“ mit buntem Gummibändchen, Fingerringe mit farbigen Glassteinen, Nuckelfläschchen mit Liebesperlen für die Puppen, quäkende „Meeksja“ („Quietsch-Dinger“), kleine Autos und „Poppcha“ aus Zelluloid oder Pappmaschee – oder „en Krell“, eine Halskette, aus bunten Perlen. (‚Krelle‘ bedeutet Halsketten oder einfach Perlen – und das Wort kommt wahrscheinlich von Koralle).

 

Außerdem gab´s auf der Kirmes natürlich das, was man in normalen Zeiten nur sehr selten bekam: „Zuggasteincha“, „Waffele“ und „Schogelad“. Nachmittags flanierten – selbstverständlich im Kirmesstaat – die Einheimischen mit ihren Kirmesgästen auf der Dorfstraße. Das war ein gegenseitiges Wiedererkennen, Begrüßen, Fragen und Erzählen. Denn fast alle hatten sie gemeinsame Erinnerungen an Kindheit und Jugend, und viele traf man ja nur einmal im Jahr: an der Zelser Kirmes.

 

Für „die Jugend“ stand natürlich Langs Saal im Mittelpunkt. Die Aussicht auf die „Mussik“, wo man im neuen Kirmeskleid zur „Life-Musik“ der „Schnälbächer“ Musikanten tanzen und flirten konnte, sorgte vor allem bei den Mädchen für gespannte Vorfreude.

 

Es gab aber strenge Regeln: Wer gerade erst aus der Schule entlassen war, durfte nur am Nachmittag „of de Danzborrem“. – Dabei war doch die Musik am Abend, wenn auch all die Tänzer und die Mädchen von den Nachbardörfern kamen, besonders interessant. Beim Kirmesausklang am Dienstagabend waren die Zelser, auch die Älteren, meistens unter sich, und es ging noch einmal ganz gemütlich und lustig zu in Langs Saal. (Über weniger freundliche Begleiterscheinungen beim Tanzvergnügen berichtet die Chronik an anderen Stellen.) Nach der Kirmes wurde das Wahrzeichen, der ca. 15m lange Kirmesbaum, versteigert bzw. verlost.

 

Früher – vor dem Ersten Weltkrieg – wurde er feierlich „zu Grabe getragen“. Mein Vater, Hiestasch Toni, erzählte einmal schmunzelnd davon, wie er damals mit Piese Hannes-Pidda am Ende der Kirmes rittlings auf dem Kirmesbaum gesessen habe, der von den übrigen jungen Burschen „unter Absingen von Litaneien“ durchs Dorf getragen wurde.

 

Nach dem Krieg entstand der Brauch, dass die jungen Leute am Kirmesmontag mit Musik durchs Dorf fuhren.


1973 fand das ein jähes Ende durch einen schlimmen Unfall, bei dem ein junger Mann aus Sabershausen (Ernst Weiler) ums Leben kam.

 

Kirmesumzug 1955


 

Traktor

Auf dem Traktor von l. n. r.: Otto Escher, Werner Kochhan, Hermann Gräf, HermannWeins – auf dem Anhänger die Kapelle aus Schnellbach, die „Schnäälbächa“

Nicht nur die großen Festtage waren im Kalender „festgelegt“, sondern für viele Dinge gab es im Ablauf des Jahres ganz bestimmte Termine und Bräuche. Einige davon sollen hier erwähnt werden:

 

So musste zum Beispiel das im Winter geschlagene Holz bis zum Johannistag, dem 16. Mai – also bevor die umstehenden Bäume wieder grün wurden und bei der Arbeit verletzt werden konnten – ausgeputzt und aus dem Wald geholt sein. Das Holzsägen hatte im Frühjahr, ehe die Feldarbeit anfing, auch seine Zeit. Das Holz durfte weder zu grün noch zu fest geworden sein.

 

Um „Bädaach“ (Bettag), den 17. Mai, fuhr man zum erstenmal aufs Feld Grünfutter holen.

 

Am 2. Juli geht man nach alter Tradition auf die Wallfahrt nach Bornhofen. (Näheres darüber steht in der Chronik 1990: Bornhofen-Wallfahrt.)

 

Nach der Rückkehr von Bornhofen hieß es: „Et Haimache werd gestallt“. Das heißt, dass die Wiesen für das Heumähen freigegeben waren. Dieser offizielle Termin war notwendig, weil zu den durch Erbteilung immer kleiner werdenden Wiesenstücken kein direkter Weg mehr führte. Der Zugang war nur durch Nachbargrundstücke hindurch möglich. Um Flurschaden zu vermeiden wurden die Wiesen einer bestimmten Flurlage (so wie an der Mosel die Weinberge) an einem bestimmten Tag für alle „geöffnet“. Kirmes war am oder nach dem 22. Juli, dem Maria-Magdalenen-Tag.

 

Am 25. Juli wurden „die Äppel gesalzt“ (die Äpfel am Baum entwickeln jetzt erste Säure und Geschmack und werden essbar). Zuständig dafür war St. Jakobus, denn der 25. Juli war der „Jakobstag“.

 

Am 15. August, an Mariä Himmelfahrt, wurde in der Kirche der „Kräuterwisch“ gesegnet, den die Kinder in den Tagen zuvor auf den Feldern und Wiesen gesammelt hatten. 25 „Kräuter“, andere sagten 75 Kräuter aus Garten, Feld und Wiesen gehörten hinein. Auf keinen Fall fehlen sollten die Königskerze (Zwellichstang), das Weidenröschen (die Hergottsgaasel), das Hergottkissen (der Schlafapfel, das wollige Wuchergewebe an wilden Rosen, das durch die Rosengallwespe ausgelöst wird) und das Johanneskraut. Der gesegnete Kräuterwisch wurde auf dem Speicher aufgehängt und bei besonders schweren Gewittern verbrannt.


An Mariä Himmelfahrt war auch Mörzer Kirmes, eines der beliebtesten Kirmesfeste in der Umgebung. Der Fußweg dorthin durch Wald und Bachtal war vor allem für die Jugend ein willkommenes „Muß“.

 

Am 29. September ist St. Michaelstag, und am ersten Mittwoch im Oktober, fand in Kastellaun der „Michelsmaat“ statt, wo Vieh gekauft und verkauft wurde und der neben dem „Beller Maat“ im Juni eines der großen Ereignisse für die ganze Umgebung war.

 

Mittags aß man „beim Magnus“, in der alteingesessenen Kastellauner Metzgerei, eine warme Fleischwurst mit Weck. Der kleine Gastraum war voll von Leuten und von Stimmengewirr. Danach ging oder fuhr man mit den auf dem Markt gekauften Neuerwerbungen – Tieren, Werkzeug, Stoffen, Haushalts- und Kleidungsstücken – wieder nach Hause.

 

St. Martin, am 11.November, war der Termin, an dem die Pacht bezahlt und Knechte und Mägde eingestellt oder entlassen wurden und an dem das Martinsfeuer angezündet wurde.

 

Ende November, wenn die Felder gepflügt und eingesät waren, wurde dann „de Floar zogemach“. (vgl. dazu Kapitel 6: „et Haimache wird gestallt“)

8- „Wat läiret?“ – Die Kapelle und die Kirchenglocken

Die Zelser Kapelle (Postkartenausschnitt)

Erst nach dem Krieg und nach dem Wiederaufbau der Kapelle wurde von dem damaligen Pastor Pater Kirsch in Trier die Genehmigung eingeholt, in der Zilshausener Dorfkirche die Heilige Messe zu feiern. Zuerst fand in der Kapelle nur einmal im Monat ein Gottesdienst für die Alten und Kranken statt, später hielt Pater Behrla einmal wöchentlich eine Abendmesse. Darüber hinaus finden nur Gottesdienste zu besonderen Anlässen statt, z.B. bei einer Goldenen Hochzeit oder am Altentag.


Früher wurden in der Dorfkapelle vor allem Andachten gehalten: die Mai- und Rosenkranzandachten in den Marienmonaten Mai und Oktober und die Kreuzwegandacht in der Fastenzeit. Außerdem traf man sich in der Kapelle zu Segens- und Fürbittgebeten in besonderen Anliegen, zu den Bittprozessionen, beim Aufbruch und der Rückkehr der Bornhofenwallfahrer und bei ähnlichen Anlässen.


Die Totenwachen, über die später noch ausführlicher berichtet werden soll, fanden ebenso wie die Abendgottesdienste erst nach 1946 (wieder) in der Kapelle statt. (vgl. Chronik 1893/94)

 

Eine wichtige Rolle im Lebensrhythmus der Dorfbewohner spielte die Kirchenglocke. Sie begleitete sie durch den Alltag, setzte feste Zeitpunkte im Tagesablauf, bevor jeder seine persönliche Uhr mit sich trug; sie rief zu den Gottesdiensten und verkündete besondere Ereignisse im Dorf wie den Tod eines Mitbürgers oder den Ausbruch eines Feuers.


Im Gegensatz zu heute, wo nur der Mittag von der Glocke angekündigt wird, gab es bis in die 50er Jahre zusätzlich noch die tägliche Früh- oder Morgenglocke (gegen 6 Uhr) und die Abend- oder „Betglocke“. Sie wurde auch der „Engel des Herrn“ genannt nach dem Gebet, das nach frommer alter Sitte bei Anhören dieser Glocke gesprochen werden sollte.


Der Rhythmus des Morgen-, Mittag- und Abendläutens geht wohl auf das Gebet „Der Engel-des-Herrn“ zurück. Es beginnt mit 3×3 Einzelschlägen. Sie deuten die drei Ave-Maria an, die dem eigentlichen Gebet vorausgehen, welches dann durch 30 bis 40 kräftige, volltönende Doppelschläge begleitet wird.


Das Mittagsläuten ertönte früher bereits gegen 11 Uhr, damit die Bauern auf den Feldern genügend Zeit hatten, mit dem Vieh zur Mittagszeit heimzukehren. Mit der zunehmenden Technisierung der Feldarbeit wurde es Mitte der 50er Jahre auf eine halbe Stunde später verschoben und ist heute als einzige zuverlässige „Zeitangabe“ der Kirchturmglocke geblieben.

 

Der Glockenruf zur Hl. Messe klingt ähnlich wie das Mittagsläuten. Er ertönt eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst ( = das Anläuten) und wird nach einer Viertelstunde wiederholt. Das zweite Läuten, 15 Minuten vor Beginn des Gottesdienstes, heißt das „Zusammenläuten“. Die Ausdrücke „An“- und „Zusammenläuten“ sind wohl auf den Ruf der drei Glocken in der Petershäuser Pfarrkirche zurückzuführen, wo beim Anläuten nur eine, beim Zusammenläuten alle drei Glocken „zusammen“ eingesetzt werden, die dann besonders voll und eindringlich klingen.

 

Reinhold Wendling

Es ist eine Besonderheit in unserem Dorf, dass noch heute, im Jahre 2001, die Kirchenglocke per Hand betätigt wird. Bis Ende der 30er Jahre ging die Pflicht, dreimal täglich zu läuten, wöchentlich von Haus zu Haus im Dorf reihum. Kurz vor dem 2. Weltkrieg wurde der Auftrag zum Glockenläuten fest in die Hände von Familie Josef Wendling gegeben. Ein Grund für diese Neuerung waren sicherlich die weiten Wege für manche Dorfbewohner oder Unzuverlässigkeiten. Ein weiterer Grund aber lag darin, dass es gar nicht leicht ist, den korrekten Läuterhythmus zu erzielen.

 

 

Um die 3×3 Einzelschläge zu Beginn klar voneinander abzuheben, hält der Könner beim Ziehen des Seils dieses an der tiefsten Stelle für einen kurzen Moment fest, damit der Klöppel zurückschlägt, bei den volltönenden Doppelschlägen muss dagegen das Seil kräftig und in stetem Rhythmus gezogen und lockergelassen werden. Der dritte Grund, das Läuten in eine feste Hand zu legen, ergibt sich aus dem vorherigen: Bei dem ständigem Wechsel der oft ungeübten für das Läuten Verantwortlichen riss allzu oft das relativ dünne, vom Glockenturm bis unten in die Kirche reichende Glockenseil.

 

Der damalige Bürgermeister fragte deshalb den neben der Kirche wohnenden Josef Wendling, ob er nicht das tägliche Läuten übernehmen wolle. „Andrise Jusep“ erklärte sich gegen eine Vergütung (DM 40 pro Jahr) zu dieser Tätigkeit bereit.

 

War er verhindert, übernahm seine Schwägerin Maria Hansen (Andrise Marie) den Dienst, so wie sie auch sonst viele kirchliche und soziale Aufgaben übernahm, z.B. das Putzen und Schmücken der Kirche, das Vorbeten bei Andachten und den Kommunionunterricht.

Andrise Marie mit Hiestasch Toni (Ende der 50er Jahre)


Seit über 40 Jahren ist nun Reinhold Wendling, der Sohn von „Andrise Jusep“, kompetenter Glöckner in der Zelser Kapelle. Und er ist es auch, der über Details der Läutetechnik Auskunft geben konnte.

 

Er beschreibt z.B. das Feuerläuten: kurze Einzelschläge, schnell hintereinander, sog. „Bimmeln“, oder die Totenglocke, die sich unterscheidet, je nachdem, ob sie den Tod eines Kindes, einer Frau oder eines Mannes ankündigt:

  • 3x in Folge 3 Einzelschläge – anschließend kräftiges Doppelgeläute für ein Kind
  • 3x in Folge 6 Einzelschläge – anschließend kräftiges Doppelgeläute für eine Frau
  • 3x in Folge 9 Einzelschläge – anschließend kräftiges Doppelgeläute für einen Mann

(Das ganze wird jeweils dreimal wiederholt)

 

Nach Meinung des jetzigen Glöckners wird es wahrscheinlich, wie es in anderen Gemeinden und auch in der Petershäuser Kirche schon längere Zeit üblich ist, bald auch in Zilshausen zu einem „elektrischen Geläut“ kommen. Ein zweiter Vorschlag in dieser Richtung wird wohl nicht mehr wie der erste in den 60er Jahren vom Gemeinderat mit dem Argument zurückgestellt werden können, ein „Handgeläut“ sei kostengünstiger als eine elektrische Bedienung.

 

„Et läit of Schaaf“:  hieß es früher, wenn die Totenglocke läutete. „of Schaaf“, das heißt wohl soviel wie „auf der Totenbahre“, wie ja auch der Ausdruck, dass jemand „of Schaaf“ liegt, besagt. (Das Wort „Schaaf“ ist wahrscheinlich verwandt mit dem alten niederländischen Wort „schavot“ und dem aus dem Französischen stammenden „Schafott“, was so viel bedeutet wie „Holzgerüst“, auf dem jemand „zur Schau gestellt“ wurde – z.B. bei der Hinrichtung oder als Toter.)


Fast immer starben die Leute in unserem Dorf zu Hause, und dort wurden die Toten von ihren Angehörigen mit der Hilfe von Nachbarn oder der Krankenschwester auch gewaschen und mit dem Totenhemd bekleidet. Dann wurden sie – meistens in der „Stuff“ – feierlich aufgebahrt, mit Kerzen, Blumen, dem Rosenkranz und ihrem Gebetbuch, das sie als Kommunionkind bekommen hatten. So konnte man sie im offenen Sarg noch einmal sehen und von ihnen Abschied nehmen.

 

Die alte Strasse nach Petershausen

An drei Abenden zwischen dem Sterbetag und der Beerdigung fand dann die Totenwache mit Rosenkranzgebeten und der „Litanei für die Verstorbenen“ im Hause des Toten statt. Es herrschte fast immer großes Gedränge in Küche, Zimmern und Hausgang, wo schmale Holzbänke aufgestellt waren. Denn aus jedem Haus im Dorf kam wenigstens einer aus der Familie „en die Durewach“.

 

Erst nach dem Krieg fanden die Totenwachen – seit kurzem nur noch an einem statt drei Abenden – in der Kapelle statt, während der Verstorbene in der 1975 gebauten Friedhofskapelle in Petershausen aufgebahrt wird.Sie sind uns etwas ferner gerückt, unsere Verstorbenen, und das Band der dörflich-nachbarlichen Nähe ist auch in diesem Bereich lockerer geworden.

 

Trotzdem ist die Nachbarschaft noch immer in bestimmte alte Sitten und Rituale im Zusammenhang mit Tod und Beerdigung eingebunden. Zwar wird das Grab nicht mehr von den drei nächsten Nachbarn von jeder Seite mit der Hand ausgeschaufelt (diese Aufgabe wird inzwischen von einem Bagger übernommen), und seit die Toten in der Friedhofskapelle aufgebahrt werden, müssen die Nachbarn auch nicht mehr für den würdigen Transport des Toten nach Petershausen sorgen, der früher in einer Prozession der Beerdigungsteilnehmer vom Totenhaus in die Pfarrkirche stattfand. Aber auf dem kurzen Weg von der Friedhofskapelle bis zum offenen Grab wird der Verstorbene von seinen Nachbarn getragen.

 

Und heute, da der „Kaffee“ (traditionsgemäß mit Streuselkuchen) nach der Beerdigung nicht mehr in der Enge des eigenen Hauses, sondern in einem der beiden Dorfgasthäuser stattfindet, gehören die Nachbarn meist auch zu den geladenen Gästen.

9- GERJE MARIE, die Zelser Krankenpflegerin

Noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts geriet in arge Bedrängnis, wer ernsthaft krank wurde, wer sich bedrohliche Verletzungen zuzog oder wer bei komplizierten Geburten kompetente Hilfe benötigte. Denn in Fällen, wo zur Heilung mehr vonnöten war als die üblichen, von Generation zu Generation vererbten und erprobten Hausmittel und praktischen Kenntnisse, konnte Hilfe von auswärts nur unter großen Schwierigkeiten und mit erheblichen Zeitaufwand herbeigeschafft werden. (vgl. Chronik 1909)

 

Seit 1909 gab es zwar auf der Poststelle einen Telefonapparat, mit dem man in Kastellaun einen Arzt anrufen konnte; aber das erste und für lange Zeit einzige Auto in Zilshausen und der ganzen Umgebung wurde erst 1927 zugelassen. Eine regelmäßige Postverbindung zwischen Kastellaun und Karden wurde 1929 eingerichtet.


Wer also der ärztlichen Hilfe bedurfte, musste sich bis dahin zu Fuß „of Kastellaun bäi de Dokda“ oder zum Krankenhaus nach Cochem auf den Weg machen oder mit dem Pferde- oder Ochsenfuhrwerk (meist vom Nachbarn) dorthin gebracht werden.
Dass der Gang zum Arzt unter diesen misslichen Umständen möglichst lange hinausgezögert wurde und oft zu spät kam, kann nicht verwundern.

 

Ein Segen für die Gemeinde war es daher, als sich 1918 Maria Pies – angeregt und ermuntert wohl durch den damaligen Pastor Schnepp – dazu entschloss, sich als Krankenpflegerin ausbilden zu lassen.


1892 war sie in Zilshausen geboren und hatte bis zu ihrem 26. Lebensjahr in der Landwirtschaft mitgearbeitet.


1918 nahm sie in Aremberg bei Koblenz erfolgreich am theoretischen Unterricht in Krankenpflege teil und besuchte anschließend zwei praktische Kurse: einen in der Pflege von Wundkranken und innerlich leidenden Patienten im St.-Josef-Hospital in Oberhausen, den zweiten für Säuglingspflege im St. Josefshaus in Köln-Bayenthal.

Gerje Marie

Nach Abschluß der Ausbildung wurde sie in die Reichsgemeinschaft freier Charitasschwestern aufgenommen, die es als ihre Aufgabe betrachteten, „im Geiste der kirchlichen Liebestätigkeit zu arbeiten und das katholische Schwesternideal zu verwirklichen“.

 

Seit 1918 war Fräulein Pies dann ununterbrochen als Landkrankenpflegerin tätig in den Dörfern Zilshausen und Lahr, die bis dahin nur von einer für den Kreis Cochem zuständigen Fürsorgerin, der Schwester Käthe, und von der „Leja Kindchesväs“, der Hebamme Frau Laux aus Lieg, mitbetreut wurden. Ihre Aufgabe in der Gemeinde verließ sie nur, um sich weiterzubilden (z.B. in Hygiene-, Säuglings- und Tuberkulose-Fürsorge) oder an Mütterschulungskursen teilzunehmen.


Nach dem Tode ihres Vater 1925 versorgte sie neben ihrem Dienst als Krankenpflegerin zusammen mit ihrer Schwester Kathchen den landwirtschaftlichen Betrieb. 1933 holte sie dann nach dem Tode ihrer in Lahr verheirateten Schwester deren beide verwaiste Kinder – die sechsjährige Maria und den elfjährigen Paul – zu sich nach Zilshausen.


Auf diese Weise hatte sie als Landwirtin, Erzieherin und als Krankenschwester bis zu ihrem Tod 1966 stets einen mehr als ausgefüllten Tageslauf. Sie versorgte Verletzte oder leistet Erste Hilfe bei Unfällen, schritt bei schweren Grippen ein, wusste unbestimmte Leiden meist ziemlich sicher zu diagnostizieren, versorgte ihre Patienten mit Spritzen, Medikamenten und Verbänden, suchte Bettlägerige und Wöchnerinnen fast täglich auf, telefonierte für sie nach draußen um Hilfe, schickte sie zum Arzt oder ins Krankenhaus und begleitete sie notfalls auch selbst dorthin, versorgte Granatenverletzte am Kriegsende – und schließlich half sie auch mit Trost den Sterbenden und kleidete die Toten zur letzten Ruhe.


Ungewöhnliche sachliche Kompetenz, Verantwortung und Mut zu notwendigen Entscheidungen werden der erfahrenen Krankenschwester zugesprochen von den älteren Dorfbewohnern, die sie noch in ihrer Tätigkeit erlebt haben; und fast jedem von ihnen kommen dankbare Erinnerungen, wenn man ihren Namen nennt.

 

Oft genug sind es dramatische Geschichten, die da aus der Erinnerung erzählt werden, denn der Zustand des Patienten ließ oft keine Zeit, die Ankunft eines Arztes abzuwarten, wenn er- bis in die 20er Jahre mit der Pferdekutsche, der „Schees“ – über Land unterwegs war. Da war dann der Mut zu entscheiden und zu handeln gefragt.

 

Eine Geschichte möge für viele stehen:


Die kleine Marielene (Ketter) war 1939 sechs Monate alt, als sie eine schwere doppelseitige Lungenentzündung bekam. Der Arzt hatte das Kind wohl schon aufgegeben (Er soll später erstaunt gefragt haben: „Wie, lebt das Kind denn noch?“) und er war am Tag der Krise nicht zu erreichen. Vater und Schwestern der Kleinen machten sich auf den Weg zur Muttergottes nach Mörz, um in letzter verzweifelter Hoffnung für das Kind zu beten.


Auch Gerje Marie, die um die Kleine kämpfte, sah keine Chance mehr, das Kind zu retten. Da wagte sie entschlossen einen letzten radikalen Versuch, ein Entweder-Oder: Sie ließ ein Büttchen mit eiskaltem Brunnenwasser und ein anderes mit heißem Wasser herbeischaffen, zog den fiebernden Säugling aus und tauchte ihn abwechselnd in das eine und das andere.

 

Vom kalten Wasser war das Körperchen „bletzebloh“ – aber die Schocktherapie hatte Erfolg: Heute ist die kleine verlorengegebene Patientin eine gesunde 60jährige Frau. „Gerje Marie“ oder liebevoller „et Marieche“, war fast ein halbes Jahrhundert lang eine Institution im Dorfe.


Eigentlich war sie immer im Dienst. Selbst in der Hauptarbeitszeit machte sie, schon bevor sie am Morgen aufs Feld ging, notwendige Krankenbesuche (bei einer Wöchnerin etwa oder bei Kippasch Otto, dessen schlimm vereiterte Hand lange Zeit täglich verbunden werden musste.) Und eigentlich war sie immer in Eile. Trotzdem hatte sie, wenn sie mit ihren typischen schnellen Schritten durchs Dorf ging, stets einen Augenblick Zeit für einen munteren, freundlichen Gruß, ein heiteres Wort, eine teilnehmende Frage und, wenn nötig, einen praktischen Rat.


Bei der Beerdigung von „Gerje Marie“ im November 1966 wurde auf dem Petershäuser Friedhof zum ersten Mal eine Grabrede gehalten. Für Pater Kirsch, den damaligen und langjährigen Gemeindepfarrer, war es ein Bedürfnis, die Verdienste dieser noch immer unvergessenen Frau und ihren selbstlosen Einsatz für die Menschen ihrer Gemeinde ehrend hervorzuheben.

10- „Friene gieh“

„Gieh lousta moh, warret schellt!“ („Geh horch mal, was ausgeschellt wird“), sagte man wenn „de alt Minnich“, oder „Minnichs Philep“ mit der Glocke durchs Dorf ging.

 

Entweder war´s eine kurze oder längere „Bekanntmachung“, die ausgerufen oder bedächtig vorgelesen wurde, – oder die Botschaft war nur: „Et läit an die Gemaan!“ Dann ging aus jedem Haus einer an den Backes, wo man sich versammelte und miteinander „sproochte“, bis der „Schäffe“ kam und verkündete, was zu sagen war, dass zum Beispiel Holz oder „gemaane Feld verstait“ (versteigert) wurde.


Manchmal wurde auch ausgeschellt: „De Meddach em zwo Oua werd friene gange!“ Dann brachte zur angegebenen Zeit jeder das entsprechende Werkzeug mit an den Backes, und gemeinsam ging man zu der jeweiligen Arbeitsstelle: in den Pflanzgarten, die Baumschule im Wald, auf den Friedhof zum „Kärchwächbotze“, zum Wege-Instandsetzen oder auf die „Steaschwies“, um Heu für den Gemeinde-Stier zu machen. Es war Pflicht, dass aus jedem Haus einer mitging zum Friene oder einen Vertreter stellte.


Der „Frondienst“ für die Gemeinde war unentgeltlich, dafür aber bekam jedes Haus ein „Bürgerstück“ ( = ein Stück Gemeindeland) und hatte einen „Meter Holz“ frei im Jahr. Meist waren es die Jugendlichen, die mitgingen zum Friene – und da war der gemeinsame Spaß bei der Arbeit oft größer als das Ergebnis. Allerdings ging es nicht immer nur lustig zu, sondern es konnte dabei auch gefährlich werden. Das musste ich selbst mit Schrecken erfahren, als ich 1941 in den Winterferien in Zelse war und mit anderen Jugendlichen bei der Fronarbeit mitmachte.


Es war hoher Schnee und wir sollten auf der Landstraße nach Berzelt hin „Schniescheppe“. Aus Spaß bewarfen wir uns gegenseitig mit Schnee. Dabei traf meine Schaufel einen Jungen so unglücklich im Gesicht, dass sie seine Oberlippe spaltete. Er blutete entsetzlich, und gemeinsam liefen wir alle mit ihm ins Dorf. Ein Glück, daß es da „Gerje Marie“ gab, die erfahrene Krankenschwester und Nothelferin, die – wie so oft – ruhig und kompetent Erste Hilfe leistete.


Die Narbe allerdings ist bei dem inzwischen fast 70jährigen auch jetzt noch zu sehen. Kette Jupp hat mir das Unglück nie nachgetragen, aber so oft wir uns begegnen, kommt die Erinnerung an dieses gemeinsam Erlebnis mit einem „Weißt du noch ?“ zur Sprache – oder es ist doch unausgesprochen noch in unseren Köpfen.

 

PS: Den ursprünglichen Frondienst für den Lehnsherrn (statt wie heute für die eigene Gemeinde) erwähnt der Chronist in der Chronik 1893/94.

11- Rund um den Zelser Backes – Brotbacken und anderes mehr

Wenn irgendwo über das Dorfleben in alten Zeiten berichtet wird, ist das Brotbacken im Backhaus immer ein beliebtes Thema.

 

Es ist schön, sich zu erinnern und sich vorzustellen:

 

Der alte Backes (Postkartenausschnitt)

  • wie die Mutter am Abend vor dem Backtag die „Mool“ vom Speicher holte, den großen rechteckigen hölzernen Backtrog, der noch weiß war von festgewordenen Mehl- und Teigresten der vielen zurückliegenden Backtage,
  • wie sie den getrockneten Sauerteig, der im „Kremelesäckche“ in der Nähe vom Herd hing, mit Mehl und Wasser in der „Mool“ ansetzte und
  •  wie sie am nächsten Tag das Mehl – oft über 40 Pfund! – und etwa einen Eimer Wasser dazugab, um das ganze zu einem schweren, zähen, blasenwerfenden Brotteig zu „verschaffen“.

Es war Schwerstarbeit für die Bäuerin, jede zweite Woche die ca. 10 bis 12 großen Brote herzustellen, die dann „em Gang ofm Hous“ in einer Reihe an die Wand gelehnt auf den Verzehr warteten und – vor allem in den ersten Tagen – köstlich dufteten und schmeckten.

 

Vor dem Backtag musste man beim Mittagläuten an den Backes „luse gieh“, um die Reihenfolge beim Backen zu bestimmen.


Vor Festen wie Weihnachten oder der Kirmes war der Andrang so groß, dass der Lederbeutel mit den „Gemaane Liesa“ geholt werden musste. Darin befanden sich glatte, gleich große Holzklötzchen, für jedes Haus eines mit dem eingekerbten „Hauszeichen“ darauf. (Leider ist dieser Beutel – wohl im Krieg – verlorengegangen.) Waren nur wenige Interessentinnen da, genügte es, wenn jede in ein kurzes Reiserhölzchen ihr Zeichen einkerbte und es in eine aufgehaltene Schürze warf, um dann das Los zu ziehen.

 

Im Winter war „die Aaback“, der erste Backtermin am Morgen, wenig beliebt: Man musste sehr früh aufstehen zum Teigmachen und Broteformen, und man brauchte vor allem viel mehr Reiserholz, um die Steine im kalten Ofen „zur Weißglut“ zu bringen.

 

Wörter wie „Mool“, „Kremele-(Krümel-)säckelche“, „luse gieh“ und „die Aaback“ sind schon genannt worden. Im Zusammenhang mit dem Backen gibt es noch viele alte mundartliche Ausdrücke, die fast unübersetzbar sind und mit dem Backen im Backes wohl verschwinden werden:

 

Auf dem „Brud-Dill“, (auch „Brud-Huad“), einem breiten langen Brett, wurde das Brot auf den Schultern in den Backes getragen bzw. mit der Schubkarre gefahren. Auf dem Heimweg transportierte man es oft auch in dem strohgeflochtenen Brotkorb, der „Brudmann“. Mit „Räisabeade“ oder „Schanze“ (Reisigbündeln) wurde der „Owwe gehezt“ (eingeheizt); mit der „Keß“, einem an einer sehr langen Stange befestigten Scharrbrett, wurde die Glut im Ofen verteilt, bis die Steine weiß glühten, und schließlich herausgescharrt. Der „Wesch“, ein um die „Keß“ gewickelter feuchter Strohwisch, putzte die Asche noch gut aus dem Ofen. Dann konnte das Brot „eegedoh“ werden.

 

Dazu benutzten die Bäckerinnen „die Schoß“ (ein an einer langen Stange befestigtes Brett) mit der sie das ungebackene, also noch weiche Brot geschickt in den Ofen „schossen“, an die richtige Stelle schoben (um den Platz auszunutzen) und schließlich wieder herausholten. Kurz bevor das Brot „ousgedoh“ wurde, musste jedoch jedes einzelne noch einmal hervorgezogen und mit der Bürste und frischem Wasser „gefrescht“ werden, damit es eine knusprige, glänzend braune Kruste, die „Koascht“, bekam.


Schließlich wurde das heiße Brot auf der „Bäid“ abgelegt, dem langen, robusten Tisch an der Wand des Backes. Es war ein Augenblick großer Befriedigung, wenn die großen langen braunen Brote wohlgelungen auf der „Bäid“ lagen. Zwischen ihnen lag meist auch ein „Appelebumm“ ( = Apfel im Brotteig) oder ein flacher runder „Biereplatz“ (eine Art Fladen aus Brotteig mit Birnen- oder Apfelstücken), der von den Kindern in Angriff genommen wurde, sobald man sich nicht mehr Finger und Mund daran verbrannte.


Ein anderes sehr begehrtes Beiwerk, das mit dem Brot zugleich gebacken wurde, war der „Deppekooche“, ein köstlicher Kartoffelkuchen mit viel Rahm oder Speck, der nirgendwo so gut aussah, duftete und schmeckte, wie wenn er im schwarzen Bräter, dem „Äise-Deppe“, aus dem Backes kam und meist zusammen mit einer Bohnensuppe zu Mittag gegessen wurde.


Schließlich wurde im Backes auch der „Kornkaffee“ geröstet, und im Herbst wurden die „Gedraide“, das Dörrobst, gemacht. Die Zwetschgen mussten dafür sorgfältig mit dem Stielloch nach oben auf die Holz-„Hiadscher“ aufgestellt werden, damit der klebrige Saft nicht in den Ofen lief.


Es gab zwei Öfen in unserem Backes, die nebeneinander hinter der großen, verräucherten Stirnwand lagen. (Sie waren ursprünglich je einer Dorfhälfte zur Benutzung zugeteilt.) Die beiden eisernen Türen waren gerade so groß, daß das Reisig zum Heizen, das Brot und die großen Kuchenbleche mit den „Straisel-, Zimmets- und Quetschekooche“ bequem eingeschoben werden konnten. Unterhalb der Türen befand sich im Boden je eine flache Grube, in die die Glut- und Kohlenreste fielen, die aus dem Ofen „ausgeschoa“ wurden. Im Sommer wurden sie durch Wasser schnell gelöscht, im Winter aber waren sie eine willkommene Licht- und Wärmequelle.


An den beiden Längswänden des Raums stand je eine Bäid. Darauf wurde nicht nur das Gebäck vor und nach dem Backvorgang abgestellt; hier stand unter anderen notwendigen Utensilien auch die in dem fast immer dämmrigen, dunkel verräucherten Backes wichtige Kerze.


Die Bäid diente aber auch als Bank oder als „Stehhilfe“ für die Bäckerinnen. Zwischen den einzelnen Arbeitsgängen lagen nämlich oft längere Ruhepausen, die sie für die gehabten Mühen etwas entschädigten.


Da war es schön, wenn man zu zweit war beim Backen: Man konnte Dorfneuigkeiten, Meinungen und Erfahrungen austauschen und ohne Hast miteinander schwätze – fast wie heute beim Kaffeeklatsch.


Es war warm und dämmrig, man konnte in die Glut oder in die Kerzenflamme schauen, es roch gut, und die Kinder, die gern mit dabei waren im Backes (ich erinnere mich selbst gut daran!), erlebten wohl auch etwas vom Besonderen dieser behaglichen Atmosphäre; denn sie spielten meist ruhig oder saßen einfach da und hörten zu.

 

Solche Stunden, vor allem am Abend und in der dunklen Jahreszeit, sind es, die das gemeinsame Brot- und Kuchenbacken im Dorfbackhaus so oft in einem romantischen Licht erscheinen und uns im Rückblick leicht in ein nostalgisches Schwärmen geraten lassen.
Für die Chronik aber sollen hier noch ein paar Fakten festgehalten werden, so weit und so lange wir uns an sie erinnern. Denn schriftlich dokumentiert ist darüber kaum etwas.

 

Das alte Backhaus erfüllte bis zu seiner Zerstörung im Krieg viele Funktionen. Es war gebaut als Back- und Gemeindehaus.

 

Aus dem Backesraum führte eine Tür zu der verschalten dunklen Holztreppe, über die man in den Gemeindesaal im oberen Stockwerk gelangte. Er wurde lange Zeit als Schulsaal genutzt, wie aus dem Bericht gleich zu Beginn im ersten Teil dieser Chronik hervorgeht.

 

In den kleinen Nebenräumen lagen vor der Zerstörung noch alte Bücher und Gerätschaften aus dieser Zeit. Später diente der Saal vor allem als Raum für Kirchenchorproben und beherbergte daher lange ein altes Harmonium.

war immer was los. Vor allem, wenn der Photograph ins Dorf kam!

Am alten Backes an der „Backeskier“

Am alten Backes an der „Backeskier“ (Postkartenausschnitt)

 

 „Tippelbrüder“ – auch „Kunde“ genannt – übernachteten hin und wieder unten im warmen Backes, nachdem sie im Haus gleich gegenüber, bei Backes-Hiestasch Mina und dem Juppes, nie vergebens um “ en Tälla Sopp, e Steck on en Päif Tubak“ vorgesprochen hatten. Sie wurden allerdings wegen ihres oft fahrlässigen Umgangs mit Feuer nicht besonders gern gesehen im Backes.


Angebaut ans Backhaus war das kleine Spritzenhaus mit den Gerätschaften für die Feuerwehr; und gleich hinterm Backes befand sich die „Gemaane Woh“, die Viehwaage (ursprünglich in einem „Woh-Häisje“).

 

Für Kinder war um den Backes herum immer ein besonders beliebter und interessanter Spielplatz, und für die Jugend war hier am Abend der bevorzugte Treffpunkt. Aber auch für die Erwachsenen war der Backes der anerkannte Mittelpunkt des Dorfes. Hier versammelte man sich, wenn es „an die Gemaan“ schellte, wenn man losen oder zum Holzversteigern ging oder wenn man einfach mal gucken wollte, was so los war im Dorf und „Aasprooch“ (einen Schwatz) suchte. „Ich gien noch e bißje an de Backes“, hieß es oft abends nach Feierabend.

 

Der Wiederaufbau und die Nutzungsweisen nach 1945 sind im ersten Teil der Chronik weitgehend dokumentiert. In den 50er Jahren wohnten „ofm Backes“ zeitweilig Flüchtlinge. Anfang der 70er Jahre wurden hier die vier unteren Jahrgänge der Schulkinder unterrichtet, weil die Zahl der Kinder im Dorf zu groß war für die einklassige Dorfschule, und seit etwa 1975 befinden sich oben im Backhaus die Jugendräume.

 

Der neue Backes

Unten ist nur noch ein (kaum benutzter) Backofen. Die Hälfte des ursprünglichen Backes wurde beim Wiederaufbau abgeteilt als Raum für öffentliche Waschmaschinen, später (als jeder Haushalt seine eigene Waschmaschine besaß) als Kühlraum. Wo früher das Spritzenhaus stand, befindet sich heute die überdachte Bus-Wartestelle für die Kindergarten- und Schulkinder.


Wo früher die Viehwaage war, ist heute das Toilettenhaus. In dem Anbau waren zunächst, bis immer mehr Häuser eigene Bäder bekamen, vier „Brause“-Kabinen eingerichtet.

Das Duschen war so beliebt, dass man am Samstagnachmittag, wenn das Duschhaus geöffnet und geheizt war, vor der Türe mit Handtuch und Seife schlangestand und – wie immer am Backes – ein bisschen miteinander „sproochte“.

 

PS:
Eine „Polizei-Verordnung, die Benutzung der Gemeindebacköfen in Zilshausen (Lahr, Lieg und Lütz) und Mörsdorf betreffend“ von Januar 1876 ist in dem Buch von F. Schneider „Die Geschichte des Dorfes Lieg“ Seite 211 abgedruckt.

12- Die Zelser Bach und die alte Bauernmühle

Von der Zelser Bauernmühle gibt es kaum noch erkennbare Reste. Sie stand unten im Bachtal – etwa eine halbe Stunde Fußweg vom Dorf entfernt und ungefähr 500 Meter bachaufwärts von der Furt und dem Steg, die bei der alten Pumpstation über “ die Zelser Bach“ führen.

 

Die Zelser Bauernmühle

Die Zelser Bauernmühle

Der alte Bruchsteinbau hatte zwei kleine Räume: Der obere enthielt einen Tisch und eine Bank, die nachts auch als Schlafstätte diente. Von diesem oberen Raum aus wurde die in Säcken mitgebrachte „Frucht“ in einen Holztrichter geschüttet, der durch eine Öffnung in der Decke in den unteren Raum auf die Mühlsteine führte, welche von dem draußen übers Mühlrad geleiteten Bachwasser angetrieben wurden.

 

An feuchtkalten Abenden brannten in einer offenen Feuerstelle dicke Holzkloben, Klötze, die sich nicht spalten ließen und die man daher beim Holzmachen eigens für die Mühle beiseitegelegt hatte.


Unterhalten wurde die Bauernmühle von der Mühlengenossenschaft – das waren die Bauern im Dorf, die „Frucht“, d.h. Getreide, anbauten. Je nach der Getreidemenge hatten die Bauern eine bestimmte Anzahl von Mühlen-„Anteilen“. Ein „Anteil“ war ein Mahltag und dauerte einen Tag und eine Nacht; er konnte je nach Bedarf auch geteilt werden.


Die Mühlengenossenschaft wählte jedes Jahr den Millescholtes (Mühlenschultheiß), der die Mahltage für jeden Bauern ins Mühlenbuch eintrug. Man hatte ca. 3 bis 4 Mahltage im Jahr; die Mahltermine und die Dauer der Mahlvorgänge waren abhängig von Wasserstand oder Eis im Bach und vom Zustand der Zufahrtswege.

 

Um brauchbares Brotmehl zu erhalten, musste man das Korn bis zu 5 mal durch die Mühle schicken. Die ersten Mahlgänge ergaben nur Schrot oder Kleie fürs Vieh. Der letzte Mahlgang ergab eine Mehlqualität, wie sie in den von Müllern betriebenen Mühlen als „Nohmell“ („Nachmehl“) , d.h. Brotmehl 2. Klasse, geliefert wurde. (Davon wurden z. B. an Sylvester die „Näijeacha“ gebacken.)

 

Wer als Kind einmal über Nacht mit in die Mühle gehen durfte – oder mitgehen musste, um auf den steilen, aufgeweichten oder holprigen Wegen die Bremsen am Wagen zu bedienen (die Remm zosedrähe) und in der Mühle zu helfen, der hat dieses Abenteuer kaum je vergessen: Das klopfende Geräusch der Räder, Zahnräder und Mühlsteine im Dunkeln, der unheimliche Schein einer Öllampe zwischen Säcken, staubigen Spinnweben und herumhuschenden Ratten und Mäusen – das war schon ein aufregendes Erlebnis!

 

In den 30er Jahren wurde die alte Bauernmühle nicht mehr benutzt. Die Frucht wurde von den Müllern aus dem Bachtal, dem Rave-, Muhre- oder Junkersmüller, mit ihren Pferdefuhrwerken abgeholt und als Mehl zurückgebracht. Rapsöl wurde in der Ollischmill von Savels Kläs hergestellt.

 

Die ungleichmäßige Wasserführung des Bachs und die mühsamen Wege ins und aus dem Tal führten nach dem Krieg dazu, dass der Sabelsmüller 1950 seine idyllische Mühle aufgab und am Rand unseres Dorfes den großen Neubau errichtete, der zur einen Hälfte Wohnhaus ist, und in der anderen Hälfte die elektrisch betriebene Mühle beherbergt.

 

Auf dem Wege aus der Mühle (1936)

Auf dem Wege aus der Mühle (1936)

Die neue Sabelsmühle seit 1950 in Zilshausen

Die neue Sabelsmühle seit 1950 in Zilshausen

Auch die aufwendige Arbeit des Brotbackens lag bald nicht mehr nur in den Händen der Bäuerin, sondern wurde mehr und mehr dem Dommascher Bäcker überlassen, der mit seinem geschlossenen, von einem Pferd gezogenen Wagen samstags „über die Dörfer“ fuhr. Für einen abgelieferten Sack Mehl bekam man von ihm eine entsprechende Anzahl Brotkärtchen, die man je nach Bedarf gegen Brot einlösen konnte. Das „Bäggasch-Brud“ war damals noch etwas Besonderes – fast wie heute das selbstgebackene Bauernbrot!

 

Im Krieg machte man den Weg zum Broteinkauf in Dommershausen so wie oft auch den zum Müller am Bach zu Fuß mit dem Rucksack.

 

Man bekam immer nur sehr kleine Mengen Mehl in der Mühle, die in der Zwetschenzeit kaum für den geliebten „Quätschekooche“ am Wochenende reichten; und wenn man sich dann bald wieder in die Mühle aufmachte, brummte Rave Johann (der Vater vom heutigen Zelser Müller) wohl: „Säid ihr schun wirra do?“

 

Die stillgelegte und zerfallende Bauernmühle war noch lange ein beliebtes Ziel für die Dorfkinder. Hier ließen sie selbstgeschnitzte Schiffchen schwimmen, stauten das Wasser hinter kleinen Dämmen und ließen es die selbstgebauten Mühlräder drehen.

 

Eine halbverfallene Mühle, Wasser, Wiese und Wald boten so viele Spielmöglichkeiten, daß ein langer Nachmittag wie im Fluge verging und man allzu bald den steilen Weg „die Hieh roff“ zum Dorf zurück musste.

 

Nicht weit von der Mühle wurde „in der Bach“ im Sommer die Wäsche ausgewaschen und gebleicht, die man vorher zu Hause im Kessel auf dem Herd – unter Zusatz von Soda oder von Holzasche – gekocht und dann auf dem Waschbrett gerubbelt und gebürstet hatte.

 

Auf dem meist von zwei Kühen gezogenen Wagen wurde sie in Wäschebütten an den Bach gefahren.

Wasser

Außer Gießkannen wurde auch Eß- und Trinkbares mitgenommen, denn das Blaaje ( Bleichen) dauerte mehrere Stunden bis zu einem ganzen Tag.

 

Es war eine sehr beliebte Arbeit: Wenn die Wäsche im Bach ausgewaschen und auf der Wiese ausgebreitet war, musste man sie durch Gießen naßhalten. Zwischen den Gießgängen aber hatte man Zeit genug, im Gras ze rooche (ruhen), ze sprooche (schwatzen) orra ebbes ze lässe (lesen).

 

Ein bis zwei Mal im Jahr fuhr man meist mit Wäsche an den Bach, und meist fuhren zwei Haushalte gemeinsam. Im übrigen wurde, bevor 1923 eine Wasserleitung das Wasser in die Häuser brachte, die Wäsche meist an der „Brunnestuff“ bei der Schule ausgewaschen. Bei einer letzten großen Wäsche vor dem Winter mußten dabei auch die Kartoffel- und andere Säcke gewaschen werden, die anschließend auf den Zäunen zum Trocknen hingen. (Säcke, vor allem die groben Leinensäcke fürs Mehl, stellten damals einen gewissen „Reichtum“ für die Bauern dar.)

 

Nach dem Krieg wurden auf Drängen der Hausfrauen zwei große elektrische Waschmaschinen im umgebauten Backes installiert, bevor die privaten Haushalte sich eigene Waschmaschinen anschafften.

13- Kinderspiele auf der Dorfstraße

Dorfstraße, Höfe oder die gemähten Wiesen waren Spielplätze für die Kinder. „Heppehäisje“, Dopp- und Ringschlagen wechselten sich in den Jahreszeiten ab mit „Gappballe“ (vor allem Ballspiele gegen Scheunentor und Hauswand, die „Probe“) und „Klickern“. 

 

„Kleggarekäilcha“ waren auf den unbefestigten Höfen und Straßen überall schnell mit dem Absatz in den Boden gedreht. Der sanft gewellte Hof aus Schieferfelsen von Hiestasch Lien (Haus Nr. 18) war vor allem im Frühjahr ein bevorzugtes Klickergebiet. Die Lien (Lenchen Hesser) war seit ihrer Kindheit taub, lebte mit Kuh und Schwein, Katze und Hund viele Jahre allein in dem großen Haus, und sie liebte und verwöhnte die Kinder ( nicht nur die Nichten und Neffen, die regelmäßig aus Bonn zu ihr in die Ferien kamen ). Günstig war vor allem auch, dass ihr Hof unmittelbar gegenüber der Kapelle lag, denn so konnte man in der Fastenzeit, wenn es zur Kreuzwegandacht läutete, ganz schnell in der Kirche sein zum „Stationebäre“.

 

 „Nohlaafjes“, „Vastächjes“ und „Räuber und Schanditz“ waren vor allem gegen Abend in der Dämmerung, wenn man eigentlich schon heim mußte, beliebte Spiele, die oft über ein ganzes Dorfviertel ausgedehnt wurden. Bis die entnervten Anwohner protestierten: „Awäil loßt mo noh met der Jachteräi“.( „jetzt lasst mal nach …“ )

 

Vier Schwägerinnen präsentieren Zelser Nachwuchs

 

 

Vier Schwägerinnen präsentieren Zelser Nachwuchs
von l. nach r. : Maria, Anna u. Anna Ketter u. Rosa Hesser (1925)

 

Außer diesen üblichen Spielen, wie sie überall verbreitet waren, gab es früher im Dorf alltägliche Spiele, die inzwischen ganz in Vergessenheit geraten sind. Eines davon war „Anna-wanna-Schohbrenna“.


Man brauchte dazu einen auf dem Hof abgestellten Erntewagen, und schon deshalb ist das Spiel heute nicht mehr möglich. Auf dem Wagen liefen mehrere Kinder unter Lachen, Kreischen und Schubsen hin und her oder hockten mit hochgezogenen Beinen auf den Seitenteilen, den „Leitern“ des Wagens, während der Fänger unten um den Wagen herumrannte und versuchte, durch die Sprossen ihre Schuhe zu erreichen – Gelang es ihm, einen Schuh zu berühren, rief er schnell „anna-wanna-Schohbrenna“ und war erlöst und konnte selbst auf den Wagen, während der Erwischte seine Rolle als Fänger übernehmen musste.

 

Auch andere Spiele, zu denen man eine größere Anzahl von Kindern brauchte – das war 22:44 26.12.01damals kein Problem! – sind heute mehr oder weniger vergessen:

 

„Kaiser, wie weit darf ich reisen?“, „Machet auf das Tor“, „Taler, Taler, du mußt wandern“, Kreisspiele oder „Dreh dich nicht um, denn der Plumpssack geht um“ – was man hierzulande auch „Faul Ei“ nannte.

 

Besonders beliebt war „Bille – Balle – Buff“: Einer der Mitspieler, der vorher ausgelost wurde, hatte den Ball und rief: „Bille – Balle – Buff, ane fia dä Schnuff, ane fia…. „. Hier warf er den Ball in die Höhe und rief dabei den Namen eines Mitspielers, der dann versuchen mußte, den Ball ze gappsche. Gelang ihm das, durfte er (oder sie!) seinerseits mit „Bille – Balle – Buff“ den Ball hochwerfen und einen Namen rufen. Konnte der Aufgerufene den Ball nicht fangen, musste er, sobald er ihn in die Hand bekam, „Halt!“ rufen und so die übrigen Spieler, die inzwischen wegrannten, zum Stehen bringen. Er versuchte nun, einen von ihnen „abzuwerfen“. Gelang es ihm, war der dann an der Reihe, den Ball zu werfen.


In den Schulpausen spielte man gern „Boamann“ (Boa = Brunnen), ein Laufspiel, bei dem man sich für das lange Stillsitzen entschädigen konnte. Zwischen dem Schulboa, da wo heute die beiden Kastanien stehen, und Schnorre (Haus Nr. 67) stand auf jeder Straßenseite je eine Partei, und ein Boamann stand in der Mitte. Auf den Ruf „Wer gräilt (fürchtet sich) fiam Boamann?“ – vgl. „Wer hat Angst vor dem Schwarzen Mann?“ – wurde bis drei gezählt, und die beiden Parteien liefen los und versuchten, sicher die andere Seite zu erreichen. In dem gegenläufigen Gerenne musste der Boamann einen Spieler „abschlagen“, der dann seinerseits den Boamann spielen musste.

 

Fertiges „Spielzeug“ gab es in früheren Zeiten auf dem Land nur wenig, aber an Spielmaterial und Spielraum mangelte es deshalb keineswegs. (vgl. Bilder unten)


Für die Mädchen war in der wärmeren Jahreszeit der „Holzschopp“ ein beliebter Platz zum Puppenspielen. Mit Holzklötzen und -scheiten baute man sich Wohnungen und „Häisja“, „Poppeschesje“ (Puppenwagen) war vielleicht ein Schuhkarton, und wenn man Geschirr haben wollte, um die „Dreckplätzja“ für die Puppen darauf zu servieren, fand man vielleicht etwas Brauchbares bei den „Schärwele“, die damals oft einfach im „Räiel“, dem schmalen Durchgang zwischen zwei benachbarten Hausgiebeln, „entsorgt“ wurden. – Ebenso beliebt wie richtige Puppen waren bei diesen Spielen übrigens auch Holzscheiter, die als Puppen dienten.

 

Ein beliebter Zeitvertreib war natürlich das „Schelmesteckelcha mache“. Wer erinnert sich noch an das „Kennelepuutse“? Die Kennele, d.h. die Abwasserrohre vom „Wassastein“, dem Spülbecken in der Küche, führten meist einfach durch die Küchenwand und endeten draußen im „Grawwe“. Puutste man nun mit dem Mund von draußen in den Kennel, löste das Dröhnen in der Küche einen ziemlichen Schrecken aus. Noch durchschlagender und fast schon „krimenäll“ war die Wirkung natürlich, wenn man statt nur ins Rohr zu tuten Pulverplättchen oder andere Knallkörper an der Rohrmündung einsetzte!

 

Für die ältere Schuljugend und die, die „schunn ous da Schul woare“, ließ die Mitarbeit zu Hause und auf dem Feld nur wenig Zeit übrig. Die Freizeit begann in der Woche erst am Abend. Da traf man sich am Backes, saß meist noch ein Stündchen „of da Stämm“ (den Stämmen, die aus dem Wald geholt, verkauft und bis zum Abtransport am Backes gelagert waren) und „sproochte“, machte seine Späße und sang gemeinsam Volkslieder.


Gemeinsames Singen war, solange es außer dem Grammophon noch keine Musik „aus der Konserve“ gab, für junge Leute eine beliebte Freizeitbeschäftigung – Und das Treffen am Backes und das Sitzen und Singen „of da Stämm“ hat einen festen Platz in der Erinnerung der alten, damals jungen Leute.

 

Wer noch in die Schule ging, musste sich allerdings spätestens, „wenn et Bätglock gelaut hat“, nach Hause begeben. Dann ging nämlich der Lehrer oft durchs Dorf, um zu kontrollieren, wer da noch auf der Straße war!

 

„Kindersünden“ – heitere Kindheitserinnerung aus vergangenen Tagen

 

Hiestasch Hedwig (Frau H. Görgen, geb. Hesser) ist mit 93 Jahren eine der ältesten gebürtigen Zelser. Zwar hat sie das Dorf schon in jungen Jahren verlassen, aber Geschichten von früher sind in ihrer Erinnerung so lebendig wie eh und je. In ihrer Kindheit war das Beichtengehen am Samstag eine sehr ernste Sache. Schon Tage vorher wurde das „Gewissen erforscht“, und die Sünden wurden auf einen Zettel aufgeschrieben und an einem sicheren Ort verwahrt.


Einmal, als sie samstags vor dem Gang zur Beichte ihren Beichtzettel hinter dem Spiegel in der Stuff hervorholen wollte, wo sie ihn gut versteckt wähnte, war er nicht mehr da. – Aufgeregt rief sie durch die „Schall“ (eine Art Durchreiche) in die Küche: „Modda, wer hat mir da mein Sünde wechgeholt?“ (Mutter, wer hat mir denn meine Sünden weggenommen? )

 

Ein anderes Mal saß sie bei der Gewissenserforschung in der Stuff. Als Hilfe dabei diente der „Beichtspiegel“ im Gebetbuch, ein Verzeichnis der häufig vorkommenden Sünden. Bei einer der dort aufgeführten Sünden wurde die kleine Hedwig unsicher und fragte durch die „Schall“: „Modda, – ´Ich habe freiwillige Glaubenszweifel gehabt´, han ich dat och gedoh?“ In diesem Punkt konnte die Mutter das Kind beruhigen.

 
Lauter kleine Zelser

 

Fünf Cousinen, ein Vetter und ein Teddybär um 1925

Fünf Cousinen, ein Vetter und ein Teddybär um 1925

 

 

 

 

 

 

Irene (Ketter) mit Schleife und Hund

Irene (Ketter) mit Schleife und Hund

 

Kleine Zelserin

 

Kleine Zelserin:

betrachtet den Schnee noch etwas skeptisch

 

 

 

 

 

Pferdchenreiten macht Spaß – vor allem dem kleinen Hermann Oster

 

Hermann Oster

 
Aus Kindern werden Schulkinder

 

Kinder

Schulkinder

 

Die drei älteren Brüder von Reinhold Wendling (Bild 7) haben den Krieg nicht überlebt.

  • Alois fiel am 11. 2. 1943 in Russland.
  • Vinzent am 12. 2. 1944 ebenda.
  • Ignaz starb im September 1944 mit 16 Jahren an Scharlach, nachdem er den Gestellungsbefehl zum Wehrertüchtigungslager erhalten hatte. So verloren die Eltern drei von ihren vier Söhnen in kaum mehr als eineinhalb Jahren
Im Umgang mit Tieren und Technik sind die Dorfkinder früh geübt.

 

Magasch Hermann (H. Oster) hält sichtlich stolz das Kuhgespann. Die Viehdecken und die warme Mütze zeigen: Es ist Herbst!

Magasch Hermann (H. Oster) hält sichtlich stolz das Kuhgespann. Die Viehdecken und die warme Mütze zeigen: Es ist Herbst!

 

Pferdefreund

Paul blieb immer ein Pferdefreund, obwohl er als 12jähriger einen schweren Unfall hatte und durch einen Huftritt ein Auge verlor.

Spielzeug

„Spielzeug“ findet man im Dorf jeder zeit und überall – wie hier im Balneck zum Beispiel das „Ploochwähnche“
Die Fahrer: (Daume Paul, Hiestasch Leo und Langs Rudi)

 

Kinderspiele in Sommer und Winter:

 

Kinder im Unterdorf

Kinder im Unterdorf: Zum Schneebälle werfen reicht der Schnee gerade

Dreh dich nicht herum

 

„Dreh dich nicht herum, denn der Plumpsack geht um!“ Kreisspiel hinter den Häusern

Ferienkind

Ferienkind bei Konats „of da Trapp“

Paul

Paul, der stolze kleine Tierfänger

 

14- Freizeitvergnügungen der Dorfjugend

„Wochenende“ war für die ältere Dorfjugend eigentlich nur der Sonntag beziehungsweise der Sonntagnachmittag.


Samstags wurde wie jeden Tag auf dem Feld und im Stall gearbeitet. Zudem mußten für den Sonntag das Haus geputzt und der Hof und die Straße gekehrt werden. Am Samstagabend „hat ma sich gewäsch“ oder ist „en die Bitt gange“, in die in der Küche aufgestellte Waschbütte. Nach dem Krieg gab es am Backes hinterm Spritzenhaus eine Badeanstalt mit vier Duschkabinen, die samstags abends so eifrig benutzt wurden, daß man fast immer Schlangestehen musste und sich noch ein bißchen unterhalten konnte.


Am Sonntagmorgen ging man in die „Frehmess“ oder (und) ins „Amt“. Danach war für die Mädchen meist noch Küchendienst angesagt. Nach dem frühen Mittagessen und Geschirrspülen mußte der Küchenherd mit Ata, Schmiergelpapier und Poliermittel blezzeblank gescheuert werden.

 

Schließlich wurden Küche und Hausgang noch einmal rousgebotzt und der Boden mit „Schell-Melich“ oder „Kastelläina Melich“ ( = Magermilch) zum Glänzen gebracht.


Erst nach der Andacht oder „Christenlehre“, die man nicht versäumen durfte, begann die Freizeit. Man ging – zunächst meist Jungen und Mädchen getrennt und in Jahrgangsgruppen – spazieren und traf sich dann mit den anderen auf der Pondelsbank, wo heute das Haus Irnich steht, of Käisatslay, of da Haad, an Berzeltshäisje oder am Wasserfall. Überall gab es da von den Jugendlichen selbst gezimmerte Bänke.  Da saß man zusammen, sproochte, machte „Plän“, d.h. „dummes Zeug“, oder sang gemeinsam. Eine Ziehharmonika oder Mundharmonika waren eine willkommene Bereicherung der Freizeitgestaltung.

Wanderziel Burg Waldeck um 1940

Wanderziel Burg Waldeck um 1940


Manchmal machte man auch – zu Fuß oder mit dem Fahrrad – einen größeren Ausflug zu einer der Burgen oder Burgruinen in der Nähe: auf die Waldeck zum Beispiel oder die Burg Eltz. Oder man wanderte ins Bachtal zu einer der Mühlen. Die Schmausemill und die näher gelegene Muhremill gehörten zu den beliebtesten Zielen.

 

Der Winter brachte auch den jungen Leuten mehr Freizeit. Tagsüber ging man bei gutem Wetter gern „stromere“ in den Wald oder „in die Bach“. Die „Laiekaul“, der alte Schieferstollen im Bachtal, war dabei immer besonders spannend: Man mußte Kerzen oder Taschenlampen mitnehmen und immer darauf gefasst sein, Speckmäis, also Fledermäusen, und anderem unheimlichen Getier zu begegnen.


Bei ungemütlichem Wetter und vor allem am Abend ging auch „die Jugend“ gern strooße. Man traf sich in einem Haus, saß dann meist zusammen um den großen Küchentisch herum – zuerst waren die Plätze „of da Bank“ bzw. „hennichem Desch“ besetzt -, aß Nüsse oder Mallaäppel aus dem Keller und sproochte, sang, machte Spiele oder übte sich im Tanzen. Hin und wieder waren die „Sträßa“ auch einmal in der Stuff. Fast immer aber war spätestens gegen 10 Uhr Schluss. „Em näin giet jera bäi sain“ lautete ein alter Spruch, denn am anderen Morgen fing der Tag, auch im Winter, früh an.

 

Ein Höhepunkt im Winter war aber ohne Zweifel das Schlittenfahren. Wenn es, wie damals üblich, in den langen Wintern „su kneppelhat gefroar woar“, war für die Kinder auf Brandweihern, auf Pfützen und im Straßengraben, wo immer Abwasser und überschüssiger Mistpull stand, „Bahnschlagen“ angezeigt. Sobald aber genügend Schnee lag, wurden die Schlitten hervorgeholt, und dann war Hochbetrieb „onnisch da Wisse“. Ab ging´s über die Hubbele on Hibbelscha, die damals, vor der Feldzusammenlegung, noch nicht eingeebnet waren, steil hinunter bis ins Hahnekläppsche.


Für „die Jugend“, für die, die „ous da Schul“, aber noch nicht verheiratet waren, begann das Wintervergnügen aber erst richtig, wenn wirklich dicker Schnee gefallen war. Dann traf man sich abends, wenn es dunkel wurde und die Kinder heimgehen mussten, mit dem Schlitten am Backes und fuhr mit Hallodri den Kirchweg runter, bog „onnisch Leja“ (dem damals letzten Haus im Dorf) in die Pondelswiesen ein und sauste, wenn man noch genug sehen konnte, bis en Pondelsloch hinunter. Da ging es noch einmal steil bergab, und die Schlitten bekamen neuen Schwung, bevor sie im tiefen Schnee oder im feuchten Graben steckenblieben oder – bei guten Bahnverhältnissen und geschickter Fahrweise – im Wald ausliefen.


Am lustigsten war es, wenn möglichst lange Schlittenzüge mit möglichst vielen Leuten drauf und einem kleinen Lenkschlitten vornedran losfuhren. Rekordverdächtig war die Spezialanfertigung, die Muascha Fritz, der Schreinergeselle aus Morshausen, in Piddasch Werkstatt gebaut hatte: ein Lenkerbob, der sich so weit verlängern ließ, dass, wie es heißt, bis zu 15 Personen darauf Platz hatten und der viele Jahre im Einsatz war. Vor allem am späteren Abend, wenn die Straße schon gut glattgefahren war, wurde der Start sogar bis ins Oberdorf vorverlegt. Störungen durch Autoverkehr waren damals kaum zu befürchten; für weniger schrittfeste Fußgänger konnte die glattgefahrene Straße allerdings am nächsten Morgen leicht zu einem Abenteuer werden.

 

Schneereiche Winter, das hieß auch: Schnee schippen. Der morgendliche Fußmarsch in die Kirche nach Petershausen führte oft durch einen regelrechten Hohlweg, wenn die aufgetürmte Pracht an den Straßenrändern mannshoch lag.


Viele ältere Zelser erinnern sich noch an den Winter, wo es so viel Schnee gab, daß aus den am Straßenrand aufgeschaufelten Schneemassen nur noch die Baumkronen rausguckten. Die hungrigen Hasen kamen damals bis ans Dorf und nagten rundum unter den Baumkronen die Rinde ab. Als in den darauffolgenden Sommerferien Piddasch Peter, der Professor aus Trier, wie jedes Jahr ein paar Tage „daheim“ in Zelse Urlaub machte, betrachtete er verwundert die merkwürdigen abgefressenen Stellen oben an den Bäumen. Neugierig fragte er Weins Edmund, den Bauern, der ihm gerade begegnete, wie die denn da oben hingekommen seien. Zum Erstaunen des verdutzen Professors antwortete der in seiner trockenen Hunsrücker Art: „Dat? Äi dat woren die Hasse!“ (So erzählt von Leo, dem Sohn des genannten Bauern.)

 

Wo soll´s denn hingehen?

( -> Die Namen der hier Abgebildeten siehe am Schluß der Chronik auf Seite 113 )

 

Herrenpartie

Zelser (Birrascher?) Taxi

Rosa und Cilly

Kirchweg: Rosa und Cilly mit eiligen Schritten auf dem Weg zur Kirche

(Birrascher?) Taxi

Angetreten zur Herrenpartie

 

Ernst Oster

 

Ernst Oster  hat scheint´s was vor!

Rosa

Chic, chic! – die Rosa wartet aufs Postauto

 
Sontagsnachmittagsausflüge

 

of Käisatslay

 

 

 

of Käisatslay

of Pondelsbank

of Pondelsbank

 

of da „Haad“

of da „Haad“

of Pondelswies (in den ersten Kriegsjahren)

of Pondelswies (in den ersten Kriegsjahren)

 

 

 

 

 

 

 

am Wasserfall – im Winter sah er besonders romantisch aus

Wasserfall

 

Klampfe

 

 

 

 

 

Sonntagsbergsteiger mit Klampfe (Gitarre) unterwegs auf Kaisertslay

 

„Berzeltshäisje“, gebaut von Zelser Jungen Mitte der 30er Jahre, war vor dem Krieg ein beliebter und oft besuchter Treffpunkt der Dorfjugend

 

 

Männer

Leute

Männer

 
Angetreten zum „Phototermin“

 

Zelser Kerle

Die „Zelser Kerle machen
Plän“ ( = Faxen )

Gruppenfoto

Gruppenfoto an der
Zelser Kirmes (1938 ?)
– noch sind die jungen Männer
nicht im Krieg

Zelser Kerle

Fünf „staatse Zelser Kerle“

Berzelt

Berzelts Häisje

Bevor „Berzelts Häisje“ von den jungen Männern des Dorfes (Kippasch Alex, Franze Ernst und anderen ) gleich neben dem Wasserhäuschen gebaut wurde, war dieses Wasserhäuschen selbst ein beliebtes Ziel sonntäglicher Spaziergänge der Zelser Jugend. (Hier erklettert man gerade den erhöhten Sitzplatz.)
Das Bild zeigt den damals (Anfang der 20er Jahre) noch dichten Berzelts Wald, der dann von Prof. P. Ketter gekauft und der Kirche in Petershausen gestiftet wurde. (vgl. Chronik 1947-50)

 

Ende der 30er Jahre gab es um das Wasserhäuschen und die Blockhütte herum nur noch wenige Bäume und lockeres Strauchwerk. In dieses Gebüsch wurde im Frühjahr 1945 (von Bulldogs) ein Flakgeschütz gezogen, das dann von amerikanischen Flugzeugen beschossen wurde. Mehrere Soldaten kamen dabei ums Leben und wurden dort begraben. Sie wurden einige Zeit nach Kriegsende nach Hause geholt.


„Berzelts Häuschen“ geriet bei dem Beschuss in Brand und wurde zerstört.

15- Die Irrfahrt des kleinen Hermann

Eine Kindergeschichte in den Wirren der letzten Kriegstage

 

Am Nachmittag des 13. März 1945 hatte der elfjährige Hermann Weins noch mit Freunden auf den Wiesen hinter der Kapelle gestanden, um die amerikanischen Granaten zu beobachten, die bereits in den Nachbardörfern Lieg und Lahr explodierten. Gegen 9 Uhr abends schlug dann die erste Granate auch in Zilshausen ein. Sie traf das Haus Kipper und tötete dort zwei Menschen. Voller Schreck lief der Junge mit seinen beiden Tanten und deren drei Kinder – seine eigene Mutter war gestorben, sein Vater in den „Volkssturm“ eingezogen – sofort in den Keller von Brodams, der wegen seines Gewölbes als besonders sicher galt.


Etwa um Mitternacht schlug dann gerade in diesen Keller eine schwere Granate, und richtete unter den etwa 30 Schutzsuchenden ein großes Unheil an. (siehe Chronik: Die letzten Kriegswochen). Hermann wurde durch einen Splitter unter dem Auge verletzt, ein anderer traf seine linke Schulter und blieb dort stecken. Der bewusstlose Junge wurde von Soldaten nach oben in einen weniger zerstörten Raum gebracht, notdürftig verbunden und dann mit einem Leiterwagen ins Unterdorf zum Haus Kölzer gefahren, wo sich ebenfalls einer der massiveren Keller des Dorfes befand.


Am anderen Morgen flohen die Leute, die in diesem Keller Schutz gesucht hatten, wie die übrigen Einwohner des Dorfes hinunter zum Bach in den Stollen der Laiekaul. Hermann verblieb im Keller, bis ein Sanitätsauto vorfuhr, um ihn nach Beltheim zu bringen, wo sich ein Sanitätszelt der deutschen Wehrmacht befand. Dort erhielt er eine Spritze und bekam etwas zu trinken. Danach ging es direkt weiter zu einem Hauptverbandsplatz nach Wiebelsheim, wo bereits zahlreiche verletzte deutsche Soldaten lagen. Mit mehreren dieser Verletzten wurde er bald darauf ins Krankenhaus nach St. Goar verfrachtet. Hier blieb er einige Tage, und hier wurde ihm auch der Splitter aus der Schulter operiert.


Schließlich wurde er eines nachts mit einem LKW, der voll geladen war mit verwundeten Soldaten, über den Rhein und nach Nastätten gefahren, wo sich in einer Schule ein Hilfskrankenhaus befand. Hier blieb der Junge etwa sechs Wochen, um seine Wunden auszukurieren.
In dieser Zeit hatten die Amerikaner bereits das kleine Städtchen eingenommen. Von ihnen wurde Hermann dann bald entlassen und mit einem 21jährigen Mädchen aus Buchholz und einem Dolmetscher im Jeep hinunter nach Kamp an den Rhein gebracht. Mit einem Nachen setzten die beiden nach Boppard über und wanderten die acht Kilometer bergauf nach Buchholz zum Elternhaus des Mädchens. Hier blieb Hermann einige Tage.


Als am Wochenende ein Fuhrwerk mit Stroh aus Gondershausen nach Buchholz gefahren kam, nutzte er die Gelegenheit und fuhr auf dem Wagen mit zurück nach Gondershausen. Der Zufall wollte es, daß dort in der Sonntagsmesse zwei Besucher aus Sabershausen waren, die ihn am Nachmittag dorthin mit zurück nahmen.

 

Kindergartenfoto von 1939

Nun gab es für den Jungen kein Halten mehr: Noch am späten Abend wanderte er über die Felder weiter nach Zilshausen. Dort traf er nachts gegen 10 Uhr – sechseinhalb Wochen nach seinem Verschwinden – im ganzen wohlbehalten wieder auf dem Balneck ein: zur großen Freude der Zelser, die in all der Zit nichts über seinen Verbleib hatten erfahren können und in der Kirche schon mehrfach für sein Leben gebetet hatten.

 

(Auf dem Kindergartenfoto von 1939, findet man „Mainats Hermann“ in der hinteren Reihe, 2-ter von links)

16- Mundart, Hochdeutsch, Altgriechisch und mehr

Aus dem Schulalltag in Zelse zu Beginn des letzten Jahrhunderts stammt eine kleine Anekdote:

 

Das erste Schuljahr lernte das ABC. Der Lehrer malte ein großes O an die Tafel und fragte: „Was ist das?“


Einem kleinen Schüler war das ähnlich geformte nahrhafte Produkt aus dem Hühnerstall vertrauter als der abstrakte Buchstabe O. Er antwortete daher, beeindruckt von der Grösse des dargestellten Zeichens an der Tafel: „Das ist ein mäkaalisches Ei, Herr Lehrer“ – und übersetzte so das gute Hunsrücker Wort „mäggalisch“ gekonnt ins Hochdeutsche.

 

Mäggalisch“, das ist ein bei den älteren Zelsern auch heute noch sehr gebräuchliche Ausdruck. Er bedeutet einerseits „sehr groß“, zum Beispiel „e mäggalisch Dinge“ oder einfach „sehr“ wie z.B. in „mäggalisch schie“ (sehr schön), aber es bedeutet auch: großtuerisch und aufgeblasen wie in „en mäggalicha Kerl“.


Das seltsame Wort leitet sich wahrscheinlich aus dem Altgriechischen her. In der Zusammensetzung mit anderen Wörtern hat mega oder megalo die Bedeutung „groß, mächtig“ (z.B. Megalomanie = Größenwahnsinn, Megaphon und Megawatt).


– Und als „mega-out“ ist es neuerdings im Jugend-Neuhochdeutsch wieder „mega-geil“ und „mega-in“ – .

 

Wann und wie das Wort in diese Gegend des Hunsrücks kam, muß wie so viele Merkwürdigkeiten in der Mundart hier eine offene Frage bleiben.

 

Ausdrücke aus fremden Sprachen – ob sie über die nahe Grenzregion oder im Zuge von geschichtlichen Wanderbewegungen, Kriegs- oder ähnlichen Ereignissen hier eingedrungen sind – spielen immer eine Rolle in der Mundartentwicklung.
Bei uns sind oder waren vor allem Ausdrücke französischen Ursprungs geläufig:

 

so ist der Schirm
der Kinderwagen
die Kutsche
und die Waschtischschüssel
„en Porbel“
„e Scheesje“
„en Schees“
„en Waschlavur“
(aus französisch parapluie)
(frz. chaise)
(frz. chaise)
(von frz. lavoir = waschen)

 

Auch Wörter aus dem Jiddischen begegnen uns nicht selten. Die jüdischen Viehhändler, zum Beispiel aus Lütz, waren nicht weit und spielten natürlich eine Rolle im ländlichen Umfeld.

 

Der besonders merkwürdige Ausdruck „Räibat“ stammt wohl aus dem Jiddischen und hängt wahrscheinlich mit dem stärker verbreiteten Wort „Reibach“ zusammen.


Räibat ist die Bezeichnung, die nur für die Tasche zutrifft, die in ein Kleidungsstück eingearbeitet ist, auch „Säckel“ genannt (daher das „Sackdoch“ = Taschentuch). Eine Handtasche dagegen ist „en Tasch“. (Der „Räibat“ war ursprünglich wohl ein Umhängebeutel)

Es wäre interessant und amüsant, würde aber viel zu weit führen, wollte man all die originellen Zelser Wörter hier aufführen, die uns noch von früher in den Ohren klingen. Aber viele von ihnen sind ja nicht nur für unser Dorf bezeichnend und an anderen Stellen schon gesammelt worden, so dass sie nicht verloren gehen. Statt dessen haben wir versucht, in unseren Chroniktexten möglichst viele typische Mundartausdrücke zu benutzen.

Ein paar von den Sprüchen, die mir besonders lieb sind wegen ihrer Bildhaftigkeit oder Prägnanz, möchte ich hier aber doch festhalten:

  • Wenn ebbes „wert Guckes“ ist, heißt das, es ist wert, daß man es anschaut.
  •  Wenn ebbes „wert Guckes“ ist, heißt das, es ist wert, daß man es anschaut.

  • Wenn ebbes „nua fia schiesestieh“ („schönzustehen“) ist, heißt das, es hat keinen anderen Zweck und Wert als zu schmücken und schön auszusehen (zum Beispiel an der Kleidung oder als Zierat und „Nippes“ im Haus).

  • „Wenn ich Läwwe behalle“ oder … „Lävdaach ha“ (das Leben behalte) ist ein alter Ausdruck für unser „Wenn Gott will“

  • Wenn es „gereent hat bes en die ennascht Zieh“ ( = geregnet bis in den untersten Zeh), dann kann man davon ausgehen, dass Garten, Feld und Wald mal wieder gut naß geworden sind.

  • Und wenn ich abends ankündige, dass ich „die Trapp eroff gieh“, sage ich damit, dass ich müde bin und schlafen gehe.

Das folgende (etwas gekürzte) Mundart-Gedicht wurde auf dem Seniorentag im März 2001 im Bürgerhaus von Werner Birkenheier vorgetragen:

 

Ebbes
Ose Cheffe hat mich di Daach gefroot:
miste och ebbes via die Aldedach?
Du hann ich iwwalacht: wat micht da do?
on gedaacht: Ma kennt jo mol e Rätsel mache.
Ich hann mich hin on her besonne
bis ich dat richtige han gefonne,
und ich hoff, dat Rätsel fällt Uch net schwer,
hiert nur all mol richtig her!
Et es rut – et es green –
Et es dinn – et es dick –
et gieht hennareggs – vierwärts on zereck-
Ma kann och droff laawe,
et do an die Feess,
ma kann et sich kaawe,
et schmackt wie Gemees.
Ma kann et och kaue
on spille damit,
ma greht et en die Aue
et lait och em Bett.
Ma kann sich demet kloppe,
on sich botze die Naas,
die Zeit de met vatraiwe,
Et wächst och em Gras.
Ma herzt on ma dreckt et
on sticht et en et Maul,
micht Veeh domit fett
och frisst et de Gaul.
Die Raiche, die Arme,
en jeder et hat.
Et es sauer, et es seess,
on ma isst sich dran satt.
Et lait en da Loft,
ma hat et em Sack,
die Modda hat oft domet Koche geback.
Ma kann et warm mache,
et det anem wieh,
ma moss driwwa lache,
ma isst et och rieh.
Ma kann sich demet kratze,
ma geret da Katze
……..
Wat maach dat see,
wie werd dat genannt?
Ein jeder, der weiss et,
ein jeder et kennt.
Na!, wer kennt dat Wort, dat ich soche????
on wer et net kennt,
dä hat nix em Schwebbes,
et es doch su einfach,
et es äwe „ebbes“!!!!
17- Schule und Schulfotos

Über die Geschichte von „Schulen und Schulwesen“ in unserer Gegend seit der fränkischen Zeit berichtet F. Schneider in der „Geschichte des Dorfes Lieg“ (1978, Seite 93 folgende):

 

Die frühesten fränkischen Schulen waren die Domschule und Klosterschulen, die vor allem den Klerikernachwuchs fördern sollten.
„Karl der Grosse erließ Vorschriften für ´Schulen´ auch auf dem Lande … auch für Laien (und sogar für Hörige) besonders zur Erlernung der Gebete … in lateinischer Sprache.“


Aber noch in einem Visitationsprotokoll von 1680 wurde festgestellt, dass in der ganzen Pfarrei Lütz (zu der Zilshausen damals gehörte) noch keine Schulen vorhanden seien.


„Im Jahre 1747 hieß es jedoch bei der Visitation der Pfarrei Lütz, dass in Dommershausen, Zilshausen und Lieck Schule gehalten wird. Zum Schulbesuch heißt es dort, er sei schlecht trotz der Ermahnung des Pfarrers.“


Auch nachdem im 17. und 18, Jahrhundert der Einfluss auf die Schulordnungen von der Kirche immer mehr in die Hände der Landesfürsten und des Staates überging, lag die Schulaufsicht noch weitgehend beim Pfarrer. Lehrer waren außer dem Hilfsgeistlichen und dem Küster auch „des Lesens und Schreibens kundige“ Handwerksleute. Eine gesetzliche „Schulpflicht“ bestand zwar schon seit 1598, sie wurde jedoch sehr locker gehandhabt: Vor allem in den Sommermonaten, wenn die Kinder auf dem Feld gebraucht wurden, fiel der Unterricht meist ganz aus.

 

Treffen ehemaliger Schulfreunde

Treffen ehemaliger Schulfreunde

Außer Peter Hesser (mit Posttasche), der im Dorf geblieben ist, sind sie alle nach einem Leben in der Stadt „heim“gekommen: zu einem Besuch, wie Piese Hannespidda und Weazjokobs Peda, oder für immer, wie Weinems Adam (mit Mitte) und HiestaschToni (links, mit Hund).

 

Peter und Toni Hesser sind Enkel des im folgenden und in der Chronik erwähnten Lehrers Hesser.

Der erste Schulunterricht für die Dorfkinder fand in Zilshausen „ofm Backes“ statt, also im Obergeschoss vom Backhaus, das damals auch Gemeindehaus war. Darüber berichten die ersten Seiten der Schul- und Ortschronik.

 

Man erzählt sich aus der Zeit, als der Lehrer und Landwirt Hesser auf dem Backes unterrichtete, daß die Schüler zwischendurch öfters mal verschwanden, um unten im oder vor dem Backes Klicker zu spielen und dadurch den Schulmorgen für sich interessanter zu gestalten.

 

In den Jahren 1872/74 wurde das erste Schulhaus gebaut. Unten wohnte der Lehrer, und im Obergeschoß war der „Schulsaal“. Hier wurden alle Jahrgänge der Schulkinder gemeinsam unterrichtet: Während der Lehrer sich mit einer Gruppe beschäftigte – etwa den Erstklässlern das ABC beibrachte – wurden die anderen mit einer stillen Rechen-, Lese- oder Schreibübung beschäftigt. (Zur Entwicklung der Schule seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist Ausführliches zu lesen in der Schul- und Dorfchronik.)


Während der Pause rannten die Schulkinder meistens nach Hause, um „e Steck“ zu essen. Für die Kinder aus dem Kirchweg und aus dem Unterdorf, „die Ennerderwa“, war das eine beachtliche sportliche Leistung.

 

Apropos Sport: Sportfeste gab es gegen Ende der dreißiger Jahre auch schon in unserer ländlichen Gegend. Schmunzelnd erinnert sich Rosa, eine der älteren „Sportlerinnen“: „Da se mir Mädcha gelaaf on gesprunge met osa Schärze on osa Genäälde“ ( = „Da haben wir Mädchen Wettlauf und Weitsprung gemacht mit Schürzen und schweren Nagelschuhen“)

 

Haus Nr. 26: „Perkats“

Haus Nr. 26

Der Zelser Kindergarten

1933 wurde in Zilshausen ein Kindergarten eingerichtet. Das Bild zeigt Zelser Kinder der Jahrgänge 1933 bis 1936, die von Dorise Erna (E.Morsch) in Perkats (Haus Nr. 26) betreut wurden.

 

1 Seimets Alex
2 Kläse Robert
3 Theisens Helga
4 „Schule Juppche“*
5 Kette Gisela

6 Zorsch Käthche
7 Dinnes Johanna

8 Dorise Erna

9 Backes-Hiestasch Mechthilde
10 Daume Paul

11 Mainats Hermann
12 Bremme Toni

13 „Schule Arnold“*
14 Dinnes Hilde
15 Kläse Maria
16 Hanspitches Bruno

 
* Söhne des damaligen Lehrers Werner

Der Nachwuchs 1939

Der Nachwuchs 1939

 

Alte Schulfotos von 1904 bis 1966

Schulfoto von 1904

Schulfoto von 1904

Schulfoto von 1920

Schulfoto von 1920

  • Die Namen im folgenden wurden von Christine und Simone Etges recherchiert

 

Schulfoto von 1925

1925

1 Albert Morsch
2 Hermann Kochhan
3 Otto Kipper
4 Alois Pies
5 Clemens Busch
6 Ernst Hiester
7 Peter Zorn
8 Maria Eberts
9 Alois Görgen
10 Franz Kaspers
11 Katharina Kochhan
12 Clemens Kaspers
13
14 Josef Schweizer
15 Erwin Kneip
16 Maria Corneli
17 Agatha Kneip
18 Philipp Holzhauser
19 Anton Zorn
20 Rosa Corneli
21 Vinzenz Brodam
22 Hermann Hesser
23 Sophie Pies
24 Maria Hiester
25 Ignaz Corneli
26
27 Franz Schug
28 Gerda Nikolay
29 Josefine Hiester
30 Johanna Kaspers
31 Gerda Hiester
32 Pauline Liesenfeld
33 Christine Hiester
34 Anna Weinem
35 Hedwig Kaspers
36 Josef Hiester
37 Anna Nikolay
38 Bernhard Morsch
39 Maria Hiester
40 Bernhard Meinhard
41 Josef Liesenfeld
42 Alfons Schweizer
43 Peter Görgen
44 Fritz Kochan
45 Alois Zilles
46 Josef Scheuer
47 Therese Busch
48 Berta Hiester
49 Rosa Scheuer
50 Maria Zorn
51 Aloisia Kaspers
52 Agnes Hiester
53 Karl Steffens
54 Lehrer Schneiders
55 Johann Barden
56 Alfons Hiester
57 Peter Zilles
58 Johann Liesenfeld
59 Berta Brodam
60 Ida Liesenfeld
61 Alex Kipper
62 Hubert Morsch

 

  Schulfoto von 1935

1935

1 Bernhard Barden
2 Hermann Etges
3 Paul Henrichs
4 Werner Pies
5 Alois Zilles
6 Alois Wendling
7 Hermann Liesenfeld
8 Heribert Schug
9 Otto Etges
10 Adolf Ketter
11 Helmut Theisen
12 Ignatz Wendling
13 Johann Wendling
14 Johann Nikolay
15 Heini Philippsen
16 Alois Eckes
17 Maria Schug
18 Hermann Münch
19 Franz Philippsen
20 Engelbert Corneli
21 Vinzens Wendling
22 Irmgard Hesser
23 Irene Ketter
24 Agnes Münch
25 Lehrer Josef Werner
26 Hildegard Hiester
27 Anna Becker
28 Agnes Hiester
29 Christine Schug
30 Luise Ketter
31 Herta Engelhard
32 Maria Eckes
33 Aloisia Ketter
34 Agatha Mallmann
35 Cäzilia Liesenfeld
36 Karola Ketter
37 Gertrud Bitzer
38 Genovefa Ketter
39 Luise Theisen
40 Berta Brodam
41 Hildegard Schug
42 Hedwig Wendling
43 Elfriede Zimmermann
44 Christine Zilles
45 Lena Scheurer
46 Rosa Theisen
47 Adele Scheurer
48 Luise Münch
49 Maria Mallmann
50 Maria Ketter
51 Else Ketter
52 Emilie Hiester
53 Paula Morsch
54 Maria Wendling
55 Maria Zimmer
56 Maria Henrichs

 

  Schulausflug 1947

1947

1 Robert Kölzer 18 Albert Escher 35 Sohn des Busfahrers 2 Karl Josef Werner 19 Lehrer Werner 36 Alfons Escher 3 Bruno Mallmann 20 Veronika Weinem 37 Rosemarie Brodam 4 Irmgard Pies 21 Anneliese Pulger 38 Helene Hiester 5 Hermann Oster 22 Helga Theisen 39 Agnes Kölzer 6 Anna Oster 23 Mechthilde Theisen 40 Elisabeth Ketter 7 Anna Weinem 24 Gisela Scheurer 41 Rosemarie Oster 8 Johanna Groß-Scholz 25 Oswald Pies 42 Rosemarie Zilles 9 Frau Werner 26 Jürgen Groß 43 Rosemarie Auerbach 10 Helene Pulger 27 Johanna Pies 44 Leo Kochhan 11 Katharina Kölzer 28 Maria Sauerborn 45 Huberth Weinem 12 Busfahrer 29 Renate Theisen 46 Arthur Mies 13 Herr Rich 30 Gertrud Mies 47 Günther Kölzer 14 Elisabeth Theisen 31 Egon Hesser 48 Herbert Hesser 15 Maria Pörsch 32 Hans Mensel 49 Günther Meurer 16 Maria Steffens 33 Werner Theisen 17 Frau Mensel 34 Paul Steffens

 

Schulfoto von 1948

1948

 

1 Kölzer Robert 16 Sohn von Lehrer 31 Theisen Renate 2 Kochhan Alex 17 Oster Hermann 32 Zilles Ingrid 3 Lehrer Werner 18 Hesser Egon 33 Escher Alfons 4 Escher Albert 19 Sohn von Lehrer 34 Steffen Paul 5 Mallmann Bruno 20 Hesser Herbert 35 Kölzer Günther 6 Zorn Katharina 21 Groß Jürgen 36 Meurer Günther 7 Raifenschneider Anton 22 Kochhan Robert 37 Weinem Hubert 8 Theisen Helga 23 Mensel Hans ? 38 Pies Oswald 9 Hesser Karl-Heinz 24 Mies Gertrud 39 Brodam Rosemarie 10 Pulger Anneliese 25 Ketter Marilene ? 40 Hiester Helene 11 Pies Johanna 26 Auerbach Rosemarie 41 Ketter Elisabeth 12 Weinem Veronika 27 Oster Rosemarie 42 Kölzer Agnes 13 Scheurer Gisela 28 Sauerborn Maria 43 Raifenschneider Maria 14 Theisen Mechthild 29 Mies Rosemarie 44 Friedrich Anita 15 Mies Arthur 30 Zilles Rosemarie

 

Schulfoto von 1959

1959

1 Gertrud Liesenfeld 17 Hermann Meurer 33 Annedore Wagner 2 Maria Kneip 18 Günther Neujahr 34 Edeltraut Zeisler 3 Hildegard Liesenfeld 19 Klaus Michels 35 Mechthild Michels 4 Ursula Kaspers 20 Hermann Görgen 36 Hedwig Kemmer 5 Lehrer Gral 21 Fritz Meurer 37 Walburga Nikolay 6 Werner Käfenheim 22 Heinz Zeisler 38 Elgin 7 Peter Kölzer 23 Norbert Etzkorn 39 Rosemarie Kemmer 8 Robert Görgen 24 Irmgard Weinem 40 Robert Etges 9 Ernst Steffens 25 Irmgard Kaspers 41 Gerhard Kneip 10 Ernst Morsch 26 Rita Kneip 42 Karl-Josef Liesenfeld 11 Rainer Hiester 27 Karin Kugler 43 Peter Zorn 12 Hermann Schug 28 Karin Hiester 44 Berthold Kipper 13 Klaus Brodam 29 Elisabeth Schug 45 Hans-Josef Hiester 14 Adolf Wagner 30 Elisabeth Etges 46 Ernst Hiester 15 Walter Kneip 31 Marga Etges 47 Werner Michels 16 Helmut Raifenschneider 32 Rita Brodam 48 Horst Schweitzer

 

Schulfoto von 1966

1966

1 Lehrer Kraykamp 18 Elisabeth Liesenfeld 35 Monika Wendling 2 Elisabeth Etges 19 Marlene Görgen 36 Arno Hoffmann 3 Edeltraud Zeisler 20 Luise Etzkorn 37 Annelene Scheurer 4 Marga Etges 21 Robert Etges 38 Hans-Josef Hiester 5 Mechthild Michels 22 Herbert Morsch 39 Kunibert Kneip 6 Renate Kiesgen 23 Karl-Josef Liesenfeld 40 Joachim Schug 7 Rita Brodam 24 Johanna Raifenschneider 41 Werner Birkenheier 8 Helga Etzkorn 25 Franziska Weins 42 Hermann-Josef Scheurer 9 Annedore Wagner 26 Josefine Etges 43 Leo Kemmer 10 Monika Corneli 27 Veronika Eckes 44 Peter Kiesgen 11 Helga Schweitzer 28 Agnes Kneip 45 Helmut Zeisler 12 Regina Kaspers 29 Margret Kiesgen 46 Dieter Hiester 13 Hedwig Nikolay 30 Claudia Ketter 47 Klaus Bernhard Weins 14 Anita Weinem 31 Katharina Eckes 48 Norbert Kraykamp 15 Marianne Neujahr 32 Gabriele Morsch 49 Peter Eckes 16 Gertrud Nikolay 33 Elke Schweitzer 50 Joachim Corneli 17 Melitta Ketter 34 Edith Birkenheier 51 Albert Nikolay 52 Herbert Raifenschneider

 

18- Die „Kolonialwarenläden“ in Zilshausen , die Post und andere „Pöstchen“

Der letzte „Larre“ in Zilshausen, das Lebensmittel- und Kurzwarengeschäft von „Langs Rudi“ (R. Ketter) wurde 1994 geschlossen. Es war ein recht herber Verlust fürs Dorf, daß man nicht mehr schnell „bäi de Rudi“ gehen und seinen Haushaltsbedarf decken konnte. Das Angebot war erstaunlich differenziert und breit angelegt: von Tiefkühlkost und täglich frischen Brötchen bis zu Haushaltsartikeln, Textilien und Schreibwaren.Mir diesem Laden verschwand auch (nach dem Backes etc.) einer der letzten Orte der alltäglichen Begegnung und Kommunikation im Dorf.

 

Langs Haus mit Lebensmittelladen

Vorgänger dieses zuletzt recht modern ausgestatteten Dorfladens war über viele Jahrzehnte und bis Ende der 50er Jahre das Geschäft von Hiestasch Peda (P.Hesser) im Oberdorf Nr.10, auch „Hammesklose“ oder „Dietzens“ genannt. Letzteres bezog sich wohl auf das große Warenhaus Tietz, das bis zur Zerstörung in der Reichspogromnacht 1938 („Reichskristallnacht“) in allen größeren Städten die Stelle des heutigen „Kaufhofs“ einnahm. Bei Hammesklose gab es alles, was damals nötig war:

„Bierekraut“ (Syrup) und Senf aus großen Eimern und Salzheringe aus dem Faß wurden lose in mitgebrachten Schüsseln abgewogen.

 

Zucker, Mehl, Nudeln und Sago für die Suppe befanden sich in den geräumigen Schubladen und offenen Kästen des braunen Ladenregals hinter der Theke und wurden in spitze Packpapiertüten abgefüllt. Das Salz stand in einem groben Jutesack hinter der Ladentür. Käse wurde meist nur zu besonderen Anlässen und „scheibenweise“ gekauft. (Im allgemeinen aß man, was die Eigenproduktion hergab: „Klatschkäs“ und „Schlee“ oder „Schmeer“ auf dem Brot, das heißt selbstgekochtes Gelee oder Kompott, sowie Wurst und Schinken aus eigener Schlachtung und abends vor allem „Gequallde met Deckmelich“, also Pellkartoffeln mit Dickmilch.) Butter brachte der „Melich-Pidda“ (Peter Kölzer bzw. Kläse Pidda) einmal in der Woche auf Bestellung aus der Kastellauner Molkerei mit. Sie wurde nicht bezahlt, sondern am Ende des Monats mit der abgelieferten Milch verrechnet.


Außer den Lebensmitteln gab es bei Hiestasch Peter auch die „Textilabteilung“ mit Nadeln und Garn, Gummiband, Schürzenstoff, Taschentüchern u.ä. In der Abteilung „Sonstiges“ bekam man Eisenwaren, wie Nägel und „Kehkerreme“ (Kuhketten), „Gasele“ (Peitschen) und dazugehörige „Schmegge“, das sind dünne Kordeln mit Knoten („Kneppe“), die vorn an der ledernen Peitschenschnur befestigt wurden und bei gekonntem Peitschenschwung den Knall auslösten, der das meist sehr bedächtige Gespann vor dem Fuhrwerk antreiben sollte.
Schließlich gab es im Laden die „Zuckersteincher“, die in ein paar großen Bonbongläsern lockten. – Wenn Kinder einkaufen kamen, haben sie immer ein Bonbon oder auch ein paar „Feschelcha eekreet“ ( = dazu gekriegt). Feschelcha, das waren kleine billige, aber begehrte, pastellfarbige Zuckerfische.

 

Die edleren Süßigkeiten, Nuß- und Blockschokolade oder Puffreisriegel, lagen meist unverpackt in einer kleinen Vitrine, die auf der Theke stand, und wurden in einzelnen Rippen verkauft.

 

Es wäre ein verlockender, aber müßiger Versuch, alle Schätze aufzuzählen, die in dem kaum mehr als 16 qm großen Ladenraum Platz hatten und vor allem für die unverwöhnten Kinder der damaligen Zeit Gegenstand des Staunens und des Begehrens waren. Nur die sperrigen Vorräte, wie das „Lainollischfaß“ zum Beispiel, wurden in der Scheune gelagert.

 

Denn außer dem Ladengeschäft betrieb die Familie natürlich auch eine Landwirtschaft. Diese lag allerdings hauptsächlich in den Händen von Sohn Hermann, bis der sich mit seiner Sargfabrik unabhängig machte. Peter Hesser selbst war für die Landwirtschaft weniger geeignet.
Als Kind hatte er einmal eine Zeitlang beim Pastor Lateinunterricht und war von dem damaligen Lehrer Mende für eine weiterführende Schule vorgeschlagen worden. Da diese damals aber immer auch mit dem Aufenthalt in einem Internat verbunden war, konnte sein verwitweter Vater, der fünf weitere Kinder zu versorgen hatte, das nicht finanzieren.

 

Statt der Landwirtschaft betreute P. Hesser neben dem Ladengeschäft eine ganze Ansammlung von Posten und Ämtern im Dorf: die „Kasse“, die Post und die Küsterei – die beiden letzteren hatte er von seinem Vater Philipp H. übernommen -, und war zeitweilig auch Ortsbürgermeister.

 

Daneben war er aber immer mit Leib und Seele Organist und Chorleiter und komponierte sogar eigene Stücke. „Er hat einmal ein wunderbares Magnifikat geschrieben und mit uns gesungen“, erinnert sich die spätere Kirchenchorvorsitzende Karola Michels,

Hesser

die zu den ersten gehörte, die als ganz junges Mädchen beim Chorsingen dabei war. Die Chorproben fanden damals „auf dem Backes“ statt, wo ein kleines Harmonium stand. Zu Hause hatte P. Hesser, musikalisch wohl weitgehend Autodidakt, ein mit bleibender Begeisterung benutztes Klavier, das das erste Instrument dieser Art im Dorf war und lange blieb. Peter Hesser (Über einen spannenden Streit zwischen dem Küster und dem Organisten, Philipp und Peter Hesser, und dem damaligen Pfarrherrn berichtet die Chronik 1911)

 

Zurück zu den Lebensmittelläden. Neben „dem Dietz“ erinnert man sich vor dem Krieg an zwei weitere -ebenfalls in kleinen Zimmern eingerichtete – Lebensmittelgeschäfte (bei Schweizers und Brodams), die aber jeweils nur für kurze Zeit bestanden und ein wesentlich weniger breites Angebot hatten.


Für Dinge, die im Dorf nicht feilgehalten wurden, musste man sich nach Kastellaun auf den Weg machen, zu Fuß, vielleicht mit dem Fahrrad oder – vor allem an Markttagen – mit dem Fuhrwerk. (vgl. Kapitel 7: „Michelsmarkt“)

 

Die Post

befand sich bis Anfang der 20er Jahre im Haus Nr. 18 gegenüber der Kapelle. Nach dem Tod von Philipp Hesser 1924 übernahm sein Sohn Peter die Post und verlegte die Poststelle in sein Haus Nr. 10 im Oberdorf.

 

Vor der ersten Poststelle

Gruppenfoto im 1. Weltkrieg:


„Gardejäger“ Toni Hesser, seine Schwester Lien, Andrise Marie u. Schwägerin Marie Hesser mit ihren Kindern Hedwig, Hermann u. Paula

Seine Nachfolgerin war Frau Hildegard Schug, Haus Nr.12 (später Balduinseck 1). Nachdem auch sie Anfang der 80er Jahre in Rente ging, wurde die Poststelle aufgelöst, und das Dorf wurde, wie die Dörfer der Umgebung, von Kastellaun aus „postalisch versorgt“.


Die Poststelle war vornehmlich für die Brief- und Paketabfertigung und -verteilung im Dorf und den Briefmarkenverkauf zuständig.


Allerdings war da schon sehr früh, ehe jedes Haus Telefonanschluß besaß, „dä Delefun“. Es war ein mittels eines Holzbretts an die Wand befestigter, vorsintflutlicher Telefonapparat mit einer Kurbel an der Seite. Durch ein dreimaliges kräftiges Drehen an der Kurbel konnte man die „Vermittlungsstelle“ in Kastellaun anrufen und sich umständlich „weitervermitteln“ lassen. Anrufe, die von Kastellaun an die zum Amt gehörenden Dörfer gerichtet waren, erkannte man an den unterschiedlichen Klingelzeichen. Klingelte das Telefon „dreimal kurz, einmal lang“ war Zilshausen gemeint.

 

Meistens wurde dann jemand aus dem Dorf „am Delefun“ verlangt, und der musste sofort – meist von einem Kind, das gerade in der Nähe war

 

– „geroof wäre“ und saß dann wartend auf der Post oder in der Küche nebenan, bis der Anrufer sich mit „dreimal kurz einmal lang“ wieder meldete.

 

(Zum Thema „Post, Telefon und Verkehrsverhältnisse“ vgl. auch Chronik 1893/94 und 1909)

19- Zwei Hunsrücker Originale

Der „Beldemer Lippert“ war die „Konkurrenz“ zu den Ladengeschäften im Dorf. Mit seinen beiden am Tragjoch befestigten Warenkörben (manchmal waren es auch zwei Zinkeimer oder eine Schubkarre) kam er regelmäßig über die Dörfer im ganzen Vorderhunsrück.

 

De „Beldemer Lippert“

Wer ihn noch erlebt hat (er starb 1963), für den bleibt er unvergesslich: Er war groß und sah mit seinem wilden Bart vor allem für Kinder finster und angsteinflössend aus. Aber obgleich er, wenn er gereizt wurde, recht lospoltern konnte, tat er keiner Fliege etwas zuleide.


Mehrere Jacken, die er das ganze Jahr hindurch übereinander trug, ließen ihn noch mächtiger erscheinen. Um sich der Hitze oder Kälte anzupassen, knöpfte er jeweils eine der Jacken mehr auf bzw. zu und soll – das Wetter betreffend – gesagt haben: „Hout es et wirra ane Jacke källa woar!“. (Heute ist es wieder eine Jacke kälter geworden!)

 

Der Lippert verkaufte Waren zu Pfennigsbeträgen: vor allem Nadeln, Zwirn und andere Kurzwaren, aber auch Rasierklingen, Schleifsteine. Küchenmesser u.ä. – und manchmal auch Heringe. Die Waren durfte man anschauen, aber auf keinen Fall anfassen, ehe der Kauf getätig war.

 

Mit den Pfennigsbeträgen nahm er es äußerst ernst. Er ließ sich keinen Pfennig schenken oder herunterhandeln und gab immer exakt das Wechselgeld zurück, das er in Blechdöschen sortiert in den Taschen seiner Jacken aufbewahrte.

 

Mein Vater erzählte, dass er dem Lippert einmal ein paar Sicherheitsnadeln und etwas Nähgarn für vielleicht 47 Pfennige abgekauft habe. Als er dazu auch noch einen weiteren Kauf für wenige Groschen tätigen wollte, wurde der Lippert sehr unruhig und fragte äußerst skeptisch den dabeistehenden Bauern, der ihm bekannter war als der unsichere Zufallskunde,: „Ob er et och bezahle kann, ob er och bezahle kann?!“


Die bekannte Geschichte von der Politikerbeleidigung aus dem „Dritten Reich“ hat man ihm wohl nur in den Mund gelegt: Er soll seine Heringe mit dem Reklamespruch „Hering, so fett wie de Göring!“ angepriesen haben und dafür acht Tage hinter Gitter gesperrt worden sein. Als er in der folgenden Woche wieder seine Heringe anbot, habe er gerufen: „Hering, su fett wie die vorig Woch!“.

 

Auch der „Sawwascher Erich“ war eine bekannte Erscheinung im Dorfbild. Er tauchte vor allem an der Kirmes und an den Namenstagen der Dörfler auf, um zu gratulieren und zum Dank ein Stück Kuchen oder – besser noch – ein paar Groschen oder eine Pfeife Tabak zu bekommen. Seine Spezialität war es, dass er alle Namenstage der Leute und alle Milchkannennummern der umliegenden Dörfer zuverlässig auswendig wusste und auf Befragen hersagte.

20- Gaststätten in Zilshausen

Die Zilshausener haben seit über hundert Jahren zwei Möglichkeiten, im Dorf ihren Durst zu löschen oder bei besonderen Anlässen gemeinsam zu feiern und das Tanzbein zu schwingen, und zwar in den Gaststätten Brodam („Johannsches“) und Ketter („Langs“).

 

Das Gasthaus „Brodam“:

ist wohl das ältere von den beiden öffentlichen Gast- und Schankwirtschaften. Es war der Landwirt Johann Peter Brodam, der 1869 beim Amtsmann in Cochem um die Erlaubnis nachsuchte, eine solche Gast- und Schankwirtschaft zu betreiben. Er bekam sie noch im selben Jahr für das Haus Nr. 30 in Zilshausen ( = Klanasches ) „in Gemäßheit der Allerhöchsten Kabinets-Ordre vom Februar 1835“.

 

Urspüngliche Gaststätte J. P. Brodam

Urspüngliche Gaststätte J. P. Brodam (nach 1970)

Ein entsprechender „Erlaubnisschein“ wurde jeweils für ein Jahr erteilt und mußte „bei beabsichtigter Fortsetzung des Gewerbes jedes Jahr in der letzten Hälfte des Monats November erneut beantragt werden“.


Von da an befand sich in einem Nebengebäude – das seit 1970 von den jetzigen Besitzern (Kramer) als Scheune benutzt wird – ein Flaschenbierausschank sowie ein kleiner Saal für Musik und Tanz. Überdies bestand dort für die Einwohner des Dorfes die Möglichkeit, auch einige alltägliche Bedarfsgegenstände einzukaufen – wie Salzheringe vom Fass zum Beispiel.


Außerhalb entlang dem Giebel des scheunenartigen Gebäudes gab es damals bereits eine kleine offene, aus Brettern gefertigte Kegelbahn. (Ältere Dorfbewohner erinnern sich noch heute, wie sie als Kinder in der langsam verrottenden Kegelbahn ihr Spiel getrieben haben.)

Johann Peter B., baute später (das Jahr ist nicht bekannt) im Zentrum des Dorfes unterhalb des Backes ein neues Haus („Johannsches“, Nr. 42) und zog mit seiner Familie, sowie mit der Land- und Gastwirtschaft dorthin um.


1902 übernahm dann der Sohn Nikolaus Brodam diesen Gastwirtschafts- und Kleinhandelsbetrieb.


Im Februar 1908 ertönte eines Nachts gegen zwei die Feuerglocke – die Scheune wurde ein Raub der Flammen und brannte total nieder. Zum Glück jedoch konnte das Haus, das auch schon zu schwelen begann, durch das schnelle besonnene Eingreifen der Ortsfeuerwehr gerettet werden. (s. Chronik 1908)

Die“Johannsches“ um 1930 vor der neuen Gastwirtschaft

Die“Johannsches“ um 1930 vor der neuen Gastwirtschaft

 

Als Nikolaus Brodam 1916 starb, übernahm dessen 14jähriger Sohn Alois zusammen mit seiner Schwester Rosa die Familiengeschäfte, die Landwirtschaft und den Gastwirtschaftsbetrieb. Die Mutter wurde bald rheumaleidend, konnte das Bett nicht mehr verlassen und musste über viele Jahre hin von ihrer Tochter Rosa in einem kleinen Zimmer hinter dem Gastraum gepflegt werden.


Während der Winterzeit, wenn die Feldarbeit ruhte, ging Alois, wie viele andere junge Männer aus Zilshausen ins Ruhrgebiet, um dort zusätzlich für die Familie Geld zu verdienen.

 

Im Krieg wurde Alois, der inzwischen Ortgruppenleiter geworden war (s. Chronik 1933) zum Militärdienst eingezogen. Seine Schwester Rosa mußte nun weitgehend allein die Land- und Gastwirtschaft sowie die kranke Mutter betreuen.


1944 lernte Alois in Riga seine spätere Ehefrau Lubja Maria Grabnitzkaja kennen, die als Ostflüchtling eines Tages im Juli 1944 allein in Zilshausen eintraf. Sie half bei der Arbeit in Haus, Hof und Gastwirtschaft.

 

Als im März 1945, also kurz vor Kriegsende, das Dorf von den Amerikanern beschossen wurde, schlug eine der schweren Artilleriegranaten auch bei „Johannsches“ ein.

Brodam

Im Keller des Hauses wurden Rosa Brodam, ihre Schwester Maria (verh. Olbermann) sowie deren beide Kinder getötet (vgl. Chronik: Die letzten Kriegswochen). Außer ihnen und Lubja mit ihrem inzwischen geborenen Kind hatten noch Verwandte, eine fünfköpfige Nachbarsfamilie („Backes-Hiestasch“) und mehrere Soldaten in dem relativ großen und vermeintlich sicheren Keller Zuflucht gesucht.


Sechs der Soldaten kamen ums Leben, Rosa, die Tochter der Nachbarsfamilie wurde verletzt ins Krankenhaus nach Ochtendung gebracht, während ihre Großmutter („Backes-Hiestasch Bas“) innerhalb weniger Tage an den Folgen ihrer Verletzungen verstarb. – Das Haus selbst wurde durch diese Granate sehr stark beschädigt. Von der langen Irrfahrt des damals 11jährigen Hermann Weins, der auch zu den Verwundeten in diesem Keller gehörte, wurde an anderer Stelle berichtet. (s. Kapitel 15)

 

Im Herbst 1945 kam Alois aus dem Krieg zurück und baute mit Lubja das Haus und die Gastwirtschaft wieder auf. 1961, kurz nach Erhalt einer erweiterten Gastwirtschafts-Konzession, verstarb er. Seitdem führte „Luba“ allein, später dann zusammen mit der jüngsten Tochter und deren Mann die Gaststätte und den Pensionsbetrieb bis auf den heutigen Tag weiter.

 
Das Gasthaus Lang-Ketter

Wann genau im vorletzten Jahrhundert der Landwirt Johann Lang die Konzession für eine Gastwirtschaft in Zilshausen beantragte, ist nicht bekannt. Allerdings geht aus Unterlagen von 1903 hervor, dass sein Haus zu diesem Zeitpunkt schon seit mehr als 25 Jahren eine solche Gastwirtschaftskonzession besaß.

 

Familie Lang mit „Langs Fritz“

Familie Lang mit „Langs Fritz“

Aus der Dorfchronik erfahren wir weiter, dass am 29. Juni 1902 nachmittags gegen 4 das ganze Land- und Gastwirtschaftsgehöft des Johann Lang in Flammen stand. Das Feuer trat – so heißt – sehr plötzlich und gewaltig auf, so dass das ganze Gebäude ein Raub der Flammen wurde.


Noch im selben Jahr baute J. Lang einige Meter oberhalb der Brandstätte ein neues, größeres Wohnhaus mit Scheune und Stallung.


Am 12. Mai 1903, nachdem dieses Wohnhaus fertig war, stellte er ein neues Gesuch auf „Ertheilung der Gastwirtschaftsconzession“; ihm ging es darum, möglichst bald den Schankbetrieb aufnehmen und im neuen Saal Tanzmusik veranstalten zu können.


Das wurde zunächst jedoch abgelehnt, weil der damalige Bürgermeister Ritzen befürchtete, „daß dann alles aus der ganzen Umgegend dort in Zilshausen zum Tanz zusammenkäme und große Gefahr von Schlägereien bestünde …“

Der Landrat zu Cochem schloss sich dieser Meinung an, erteilte zunächst die Konzession nicht und verbot sogar im Jahr 1903 für Pfingsten „wegen Mangel an Gendarmen und Polizisten in den dieseitigen Hunsrückgemeinden (des Kreises Cochem) das Tanzen überhaupt, … denn sonst fühlten sich die rauflustigen Burschen allein Herr und Meister.“


Am 17. Juli 1903 erhielt Johann Lang jedoch einen von dem Königlichen Herrn Landrat zu Cochem ausgefertigten „Behändigungsschein über seine Gastwirtschaftsconzession „.

 

Aus einer kleinen Wirtschaft, die man sich zu Beginn eher als einen schlichten Bierflaschenausschank vorstellen muss, entwickelte sich dann Schritt für Schritt eine echte Gaststätte mit Theke und Gästeraum und bereits 1910 entstand das erste Fremdenzimmer.

 

Zu Anfang der 20er Jahre heiratete Fritz Ketter (geb.1889), Sohn des Schreinermeisters Ketter, Maria, die jüngste Tochter des Hauses Lang, zog als Nachfolger in diesen Land- und Gastwirtschaftsbetrieb ein und baute ihn im Laufe der Zeit immer weiter aus.

 

So kam in den 30er Jahren ein großer Saalbau mit Kegelbahn hinzu. Die älteren Bürger erinnern sich lebhaft an die Tanzmusiken in „Langs Saal“ –

Langs Fritz

Langs Fritz

 

vor allem aber an die Kirmesfeste im Juli, wo von Kirmessamstag bis Kirmesdienstag nachmittags und abends die Tanzmusik spielte.


Dann strömten nicht nur die Zelser und die Leute aus den umliegenden Dörfern in den Saal, dann kamen auch die „Kermesläit“, die Verwandten aus der Ferne, die zur Kirmes „heim“ nach Zilshausen gekommen waren. Fast jedes Haus hatte damals seine Kermesläit, und auf der Dorfstraße traf und begrüßte man auf Schritt und Tritt alte Bekannte und Verwandte.

 

Langs Fritz, Tankstelle und Saal

Außer den Tanzveranstaltungen gab es in „Langs Saal“ oft Theateraufführungen, bei denen eine begabte und engagierte Truppe Zelser Schauspieler ihre Zuschauer begeisterte – und auch selbst nicht wenig Spaß hatte.


Nach dem Krieg, bevor das Fernsehen Einzug gehalten hatte, kam eine Zeitlang in regelmäßigen Abständen ein Filmvorführwagen ins Dorf und verwandelte den Saal für einen Nachmittag in ein Kino.


Am Ende des Krieges wurde der Saal durch amerikanische Granaten zerstört – aber bereits im Jahre 1948 wieder aufgebaut. Zwanzig Jahre später wurde er, da er nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprach, durch einen neuen Saalbau ersetzt, der in das neugestaltete und erweiterte Gasthaus integriert war.

 

In den 50er Jahren wurden weitere Gästezimmer eingerichtet, und man eröffnete ein Lebensmittelgeschäft mit Waren für den täglichen Bedarf, sowie eine Benzintankstelle. Bei all diesen Planungen und Umbauten hatte Rudi Ketter (Sohn des F. Ketter), entscheidenden Anteil. Er übernahm in erster Linie die Betreuung des Lebensmittelgeschäftes, stand aber auch abends in der Gaststätte hinter der Theke seinen Mann.

 

Bis 1983, also fast 60 Jahre lang , war „Langs Fritz“ mit seinem verschmitztem Humor, seiner halbgerauchten kalten Zigarre im Mund und seiner stets gleichen ruhigen Freundlichkeit der bei allen Gästen beliebte Wirt hinter der Theke. Nach seinem Tod trat „Langs Rudi“, assistiert von seiner jüngeren Tochter, seine Nachfolge als Chef des Hauses an.

 

1993 übernahm schließlich die Tochter Claudia Barden, geborene Ketter, den elterlichen Betrieb, der in der Zwischenzeit abermals modernisiert und großzügig ausgebaut wurde. Mit ihren Eltern, die in Küche und Haus noch weiter mithelfen, und dem Ehemann Herbert und ihren beiden Töchtern als „Hilfskräften“ im Hintergrund, hält sie seitdem den Betrieb unter dem neuen Namen „Gasthof zur Post“ in Schwung. Marina, die ältere der Töchter, wird nach ihrem Studium des „Hotelfaches“ die Mutter fachmännisch unterstützen.

21- Dörfliche Berufe und das „soziale Netz“ vor 1940

Über die „Einwohner und ihre Berufe“ vor der Jahrhundertwende hat der erste Chronist, Lehrer Schmitz, im Jahre 1895 in der Chronik anschaulich berichtet.

 

Die meisten der dort beschriebenen Handwerks- und Erwerbszweige sind in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgestorben. Alte Berufe, auf die manche Hausnamen noch hindeuten, zum Beispiel Säiats (Schweinehirt) und Säischneirasch (Ferkelbeschneider), wurden damals ebenso wie später das Betreiben eines Lebensmittelladens, einer Gastwirtschaft, eines Handwerks etc. oder die Arbeit einer Krankenschwester meist nur als Nebentätigkeit ausgeübt.


Die Grundlage des Lebensunterhalts fast aller Familien im Dorf bildet auch um 1940 noch die Landwirtschaft. Ausnahmen waren – außer dem Lehrer – die wenigen meist alleinstehenden Alten oder Behinderten im Dorf, die kein eigenes Land und nicht (mehr) die Kräfte hatten, sich als Knechte und Mägde oder Tagelöhner „zu verdingen“.


„Orschels Jusep“ zum Beispiel zog mit seiner Drehorgel (daher der Name) über die Dörfer und Zorsch Marie kam mit ihrer Kiepe auf dem Rücken in die Häuser und sang in Erwartung von Gaben im Hausflur Kirchenlieder. (Eine anschauliche Anekdote über die beiden findet sich in einer Sammlung von „Hunsrücker Steckelcher“, die im A. Henn Verlag erschienen sind.)

 

Für diejenigen, die sich nicht selbst helfen konnten, gab es eine der früher im Dorf selbstverständlichen Einrichtungen nachbarschaftlicher und christlicher Solidarität: die „Emsopp“. Die „Um-Suppe“ gab den Ärmsten die Möglichkeit reihum im Dorf für jeweils eine Woche am Mittagessen einer Familie teilzunehmen. Diese Sitte gab es noch in den 30er Jahren. Zorsch Marie war die letzte, die noch in einige Häuser zur „Emsopp“ ging.


Bis 1957 gab es für die Bauern keinerlei Altersrente. Die Alten lebten in der Familie mit und arbeiteten mit, so lange sie eben konnten. Eine landwirtschaftliche Unfallrente gab es zwar schon, aber wenn sie monatlich 10 Mark betrug, war sie bereits nennenswert und hilfreich – „Dat woar schun Geld!“ .


Ab 1957 gab es für über 65jährige Ehepaare, deren einziges Einkommen in der Landwirtschaft lag, 60 D-Mark Rente, für Alleinstehende entsprechend weniger. Ab 1957 musste, wer mehr als vier oder fünf Hektar Land hatte, ab 12 D-Mark (bzw. entsprechend mehr) für die Rente einzahlen.

22- Handwerks- und Fabrikationsbetriebe in Zilshausen
Die Schreinerei Ketter:

Wohnhaus und Schreinerei vor 1921

Auch der älteste heute noch bestehende Familienbetrieb, die Schreinerei Ketter , heute Michels, war ursprünglich und noch vor zwei Generationen mit einer Landwirtschaft verbunden. Seit mindestens fünf Generationen hat sich der Schreinermeisterbetrieb in der Familie Ketter vererbt. Der Urgroßvater des heutigen Schreinermeisters K. Michels hat das Handwerk beim Bruder seines Vaters gelernt und an seine Söhne weitergereicht.

 

Albert Ketter übernahm nach dem Tode seines Vaters Johann Peter die Werkstatt, die damals – vor dem großen Brand 1921 – hinten ans Wohnhaus angebaut war. Beim Wiederaufbau Bauernhauses wurde die Werk statt als unabhängiger Bau auf der gegenüberliegenden Straßenseite errichtet, wo sich auch das alte Bienenhaus befindet.

 

Albert Ketter (1893 bis 1978) war nämlich nicht nur wie seine Vorgänger ein anerkannt guter Meister seines Fachs: Außer dem Schreinerhandwerk hat er von seinem Vater auch das Interesse für die Imkerei übernommen. Bis zu 65 Bienenvölker wohnten in seinem perfekt ausgestatteten Bienenhaus. Auch die Bienenzucht scheint erblich zu sein im Hause Ketter, denn sie wird auch von der nächsten Generation (von Maria und Josef Kiesgen) noch weitergeführt.

 


Und noch eine dritte Passion hatte A..Ketter: seine Vorliebe für motorisierte Fahrzeuge. Schon 1926 machte er (ein Hunsrücker Dorfbewohner!) seinen Führerschein, besaß lange Zeit ein Motorrad und erwarb 1927 das erste Auto, das in Zilshausen und den umliegenden Dörfern zugelassen wurde, einen „Wanderer“. Die Schreinerei florierte, und bei seinen Arbeiten in entfernteren Dörfern kam ihm das Fahrzeug sehr zugute.

Albert Ketter

 

Aber es diente ihm nicht nur im Beruf und als Hobby. Oft genug wurde es auch eine lebenswichtige Nothilfe für die Bewohner von Zilshausen und der benachbarten Dörfer , wenn es zum Beispiel galt, einen Schwerkranken oder Verunglückten nach Cochem ins Krankenhaus oder öfter noch – weil dort die Behandlung für die nicht versicherten Dorfbewohner billiger war – in die Unikliniken in Bonn oder Mainz zu transportieren. Denn Taxibetriebe oder Krankenwagen standen damals nicht zur Verfügung.

 

Als Albert K. 1936 ein neues Auto erwarb, einen Opel Olympia, bat ihn sein damaliger Geselle Ernst Oster (Magasch Ernst), das alte noch ein Weilchen zu behalten. Denn Ernst hatte gerade den Führerschein gemacht und wollte gern hin und wieder in dem alten Auto seine Fahrkünste erproben.

 

Der „Wanderer“, das erste Auto in der Umgegend

Der „Wanderer“, das erste Auto in der Umgegend

Das Sägegatter aus der Ravensmühle seit 1950 im Einsatz bei der Schreinerei Ketter

Das Sägegatter aus der Ravensmühle seit 1950 im Einsatz bei der Schreinerei Ketter

 

Vor allem wollte er mit seinen Freunden, Franze Ernst (E. Hiester), Schugs Franz und Eckese Richard einmal zum Nürburgrennen fahren. Als man sich dort mit Familie Ketter traf, die im „neuen Auto“ natürlich auch bei dem Rennen dabei war, versicherte Ernst seinem Chef: “ Dat Oudu es sicha! Ma han et en de Wald gefahr on henne on via degge Staan via die Rärra gewänselt“ („Das Auto haben wir gut gesichert: Wir haben es im Wald abgestellt und vor die Räder hinten und vorn Steinbrocken gewälzt.“)

 

Karl Michels aus Lahr war vor dem Krieg einer der letzten Lehrjungen, die in der Werkstatt von Albert Ketter ausgebildet wurden. Nach dem Krieg – inzwischen selbst Meister – heiratete er Karola, die zweite der fünf Töchter seines Meisters, und baute zusammen mit einem neuen Haus zwischen Kapelle und Backhaus eine Werkstatt, die größer und mit den neuen Maschinen und Lagermöglichkeiten den modernen Ansprüchen angemessen war. Für ihn und seinen Sohn Klaus war die Schreinerei nicht mehr ein Erwerbszweig neben einer Landwirtschaft wie noch in der Generation vor ihm, sondern ein voll ausgelasteter Meisterbetrieb.

 

PS:
Um 1900 gab es in Zilshausen im Hause Nr. 24 Johann Weinem (Im Eck.) eine weitere Schreinerei

 
Der Maurerbetrieb Hiester

Neben der Strickerei und der Sargfabrik gab es nach dem zweiten Weltkrieg in Zilshausen noch eine dritte Arbeits- und Verdienstmöglichkeit: den Betrieb des Maurermeisters Ernst Hiester.


„Franze Ernst“wurde 1913 in „Owwe-Franze“ (Haus Nr. 8) geboren. Nach der Schule lernte er ab dem Jahr 1929 beim Zelser Maurermeister Christian Eckes und machte dort nach drei Lehrjahren seine Gesellenprüfung.

 

Dann schaffte er noch einige Zeit beim Meister in Zilshausen. Weil aber hier zu dieser Zeit seiner Meinung nach „nicht viel los war“, zog es ihn in die Fremde. Zusammen mit Alex Kipper, der Zimmermann gelernt hatte, ging er auf die Wanderschaft in Richtung Hannover, wo er vor allem Wehrmachtsgebäude mit aufbauen half.


Später tat er sich in Thüringen mit einer Gruppe von drei Brüdern zu einem Arbeitsteam zusammen, und lernte durch sie dort auch seine spätere Frau kennen. 1938 kam er dann über Kassel wieder nach Zilshausen zurück.


Zu Kriegsbeginn 1939 wurde er zum Militärdienst eingezogen, kam zuerst nach Polen, dann nach Luxemburg, und wurde im Krieg zweimal verwundet, erst in Frankreich, dann in Rußland. Nach seiner zweiten Verwundung kam Ernst nach Trier in ein Krankenhaus. Von dort wurde er als Wachmann nach Kaiserslautern entlassen und marschierte nach Kriegsende 1945 zu Fuß nach Zelse zurück.

 

Ernst Hiester und Alex Kipper als Gesellen auf Wanderschaft

Ernst Hiester und Alex Kipper als Gesellen auf Wanderschaft

Die Hiester-Kolonne beim Anbau der Zelser Schule

Die Hiester-Kolonne beim Anbau der Zelser Schule

 

1946 machte E. Hiester seine Meisterprüfung und beteiligte sich mit seinem Betrieb (8 bis 13 Mitarbeiter) in Zilshausen und Umgebung am Wiederaufbau der Gebäude, die durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Einer seiner ersten Aufträge war die Wiederherstellung der durch Granatbeschuß stark beschädigten Zelser Kapelle. Später bekam er den Auftrag, die alte Schule durch einen Anbau zu erweitern. Das war die Zeit, wo man die Steine noch von Mann zu Mann und Hand zu Hand nach oben bis zum Dachfirst weitergab und wo auch der Speis nicht per Aufzug automatisch fuhr, sondern noch in einem „Speisvogel“ auf den Rücken gewuchtet und die Leitern hinaufgetragen werden musste.

 

Zelser Kapelle

Die Hiester-Kolonne repariert die kriegsbeschädigte Zelser Kapelle

Auf seinem eigenen Grundstück baute er dann 1976 die Scheune, die er im Nebenberuf als Bauer immer noch genutzt hatte, zu einem Wohnhaus für seinen ältesten Sohn Reiner um. Und als dieser im Jahr 1978 mit seinem Studium fertig war und seinen „Ingenieur“ gemacht hatte, da zog sich Ernst Hiester ins Rentnerdasein zurück. Er übergab den Baubetrieb seinem Sohn und betätigte sich bei ihm, der diesen Betrieb auf dem alten Sportplatz zu einer ansehnlichen GmbH weiter ausbaute, nur noch zeitweise als alterfahrene „Aushilfskraft“.

 

Jetzt, zur „Jahrtausendwende“ des Dorfes ist er – neben Kippasch Otto – einer der beiden „alten Herren“, die des öfteren als lebendige Erinnerungsbücher und interessante Geschichtenerzähler für die Arbeit an der Zelser Chronik herangezogen wurden.

 

Die Sargfabrik

In den dreißiger Jahren taten sich die Gebrüder Oster (Peter und Philipp) mit Hermann Hesser zusammen, um in Zilshausen eine Sargfabrik aufzubauen. Die Osters brachten ihr schreinerisches Können ein, Hermann Hesser übernahm die kaufmännische Seite und sorgte für den Vertrieb der Särge.


– 1939, gleich zu Beginn des Krieges starb Philipp Oster als Soldat. Peter O. machte seinen Meister, verließ Zilshausen und eröffnete in Cochem eine eigene Schreinerei.

 

Die Mitarbeiter kamen teils aus dem Dorf selbst und den Nachbardörfern, teils zogen sie von außen zu und nahmen im Ort Quartier: der Schreiner Heinz Zeisler zum Beispiel bei „Gerje“ und ein Herr Fietz, der später in Bruttig an der Mosel eine eigene Schreinerei eröffnete, bei „Kippasch“. Von Gammelshausen, einem Dorf zwischen Kastellaun und Laubach, fuhr jeden Tag mit dem Fahrrad der „Gammelser Jäb“ herbei, um die Särge anzustreichen sowie mit Ritzungen und Verzierungen zu versehen.

Hermann Hesser

Aus Lahr kam der „Suse Nikola“, der neben der Malerarbeit in der Sargfabrik im Dorf auch die Küchen und Zimmer tünchte, rollte und „bleemelte“, d.h. mit einer Musterrolle oder Schablone verzierte. Den Älteren im Dorf ist er vor allem noch gut in Erinnerung geblieben durch seine vielen Prophezeiungen, die er immer am Montagmorgen in der Fabrik den Arbeitskollegen vortrug: von den „drei dunklen Tagen“, der „gelben Gefahr“ oder gar vom bevorstehenden Weltuntergang.

 

Anfangs produzierte man die Särge in einer Baracke neben Säiats, dem Haus der Brüder Oster (Haus Nr. 22). Später baute man im Oberdorf hinter Hermann Hessers Elternhaus (Nr. 10) eine größere Fabrikationsanlage auf.


Vom Kriegsdienst wurde H. Hesser freigestellt, so daß der Betrieb während des Krieges fortbestehen konnte. Eingezogen wurde zu Kriegsbeginn nur sein Pferd, mit dem er nebenbei noch eine Landwirtschaft betrieben hatte. Zum Transport der Särge diente während des Krieges ein alter offener Laster, der mit Hilfe eines Holzvergasers angetrieben wurde. Die Fahrgeschwindigkeit – vor allem, wenn es bergauf ging – war entsprechend langsam und stotternd, und der Vergaser musste auf der Fahrt immer wieder mit den kleinen Holzstücken nachgefüttert werden, die man außer der eigentlichen Fracht auf dem offenen Laster mitführte.

 

Wie es nach dem Kriege weiterging, daran erinnert sich noch gut Kette Jupp (Josef Scheurer). Der hatte als letzter Lehrling beim Zelser Schreinermeister Albert Ketter seine Gesellenprüfung gemacht und wechselte von da zur Sargfabrik über. Technischer Leiter des Betriebs, in dem damals bis zu 40 Leute arbeiteten, war ein Innenarchitekt namens Plaschke. Er entwarf für die Zelser Fabrik Modelle für Möbel, die neben den Särgen zu dieser Zeit als zweiter Zweig in die Produktion mit aufgenommen wurden. Später ging Plaschke nach München, um dort eine eigene Fabrik aufzubauen.

 

Das war die Zeit vor der Währungsreform, wo das Geld aus dem „Dritten Reich“ bei Handelsgeschäften keine große Rolle mehr spielte, wo meist nur Naturalien gegeneinander ausgetauscht wurden: Möbel aus Zilshausen zum Beispiel gegen Wein von der Mosel. Für solche Tauschgeschäfte sorgte der in dieser Hinsicht clevere und immer agile Hermann Hesser. Kette Jupp erinnert sich noch: „Wenn wir mit ihm zum Fußballspielen in die Eifel fuhren, er war damals der Sportvereinsvorsitzende, dann kam es oft vor, dass wir auf dem Rückweg an der Mosel einen Stopp einlegten, um bei einem Weinbauern einen Kasten Wein abzuholen, der dort für eine Möbellieferung aus Zelse noch ausstand. Es versteht sich, dass bei dieser Gelegenheit auch unser Sieg im Fußball gehörig begossen wurde.“

 

1952 verlief der Verkauf der Särge nur sehr schleppend. Da fuhr H. Hesser mit seinem Lastwagen den größten Teil seiner Leute als zeitweilige Aushilfsarbeiter zum Ami-Flugplatz Hahn. Der wurde damals gerade ausgebaut, wodurch viele Menschen aus der Umgebung eine Verdienstmöglichkeit fanden.


Ein kleinerer Teil der Arbeiter blieb in der Zelser Fabrik und begann mit den Vorarbeiten für ein weiteres Fabrikationsprogramm: Man wollte nämlich neben den Särgen und Möbeln aus den anfallenden Sägespänen zukünftig auch „Klodeckel“ fabrizieren. Es wurden Leichtmetallformen hergestellt und eine Presse und ein elektrischer Ofen angeschafft. Mit Hilfe eines „Metzgerwolfes“ wurden Sägespäne und Binder kräftig vermengt, unter Hitze in die Metallformen gepresst und in einem „Backofen“ gebrannt. Die erkalteten Teilstücke wurden später von Frauen in Handarbeit mit Masse geglättet, feinverschliffen und schließlich mit Farbe besprüht.


Diese Klodeckel-Produktion lief bis 1955. Sie war allerdings nicht besonders erfolgreich: Die Pressteile erwiesen sich für schwergewichtige Benutzer als nicht widerstandsfähig genug, und auch die Spritzfarbe wurde nach einiger Zeit rissig und sprang ab.

 

Ab 1956 wurden dann nur noch Särge hergestellt. Weil sich aber deren Absatz immer mehr verminderte, beschloß Hermann Hesser 1958, zusätzlich zur Sargfabrik ein Möbellager in Zilshausen zu errichten. Gerade als man mit dem Auf- und Ausbau eines dafür vorgesehenen Gebäudes fertig war, da äscherte in der Nacht zum 22. Mai plötzlich ein Feuer das gesamte Gebäude ein. Niemand konnte sich die Ursache dieses Brandes recht erklären. Die Kriminalpolizei protokollierte einen elektrischen Kurzschluss. (siehe hierzu den Bericht in der Chronik)
Sämtliche Arbeiter der Fabrik mussten am nächsten Tag mit dem Lastwagen gemeinsam nach Cochem fahren, um sich beim Arbeitsamt als arbeitslos zu melden. Die Brandstätte in Zilshausen wurde aufgeräumt und die Fabrikation nur provisorisch weiterbetrieben.

 

1959 verpachtete Hesser den Betrieb mitsamt seinen Gebietsvertretern an den Unternehmer und Sägewerkbesitzer Haag aus Kell, der ihn bislang schon immer mit Holz für die Särge und Möbel beliefert hatte. Hesser selbst verließ Zilshausen und verzog nach Heidelberg, um dort für die Stadt ein Bestattungsinstitut einzurichten und privat zu betreiben.

 

Am 17. Juni 1966 entstand durch einen Blitzeinschlag abermals ein Großbrand in der Sargfabrik (siehe hierzu Chronik). Der Pächter Haag ging danach dazu über, die Sargherstellung immer mehr nach Kell in sein Sägewerk zu verlegen.


In Zilshausen waren nur noch fünf Arbeiter damit beschäftigt, Särge aus Teilen zusammenzubauen und anzustreichen, die in Kell vorgefertigt und mit Lastwagen nach hier gebracht wurden. In Zilshausen wurden die Särge dann gelagert und nach Bedarf und Bestellung per Lastwagen zu den Firmenvertretern (z.B. in Heidelberg, Trier, Bonn oder im Ruhrgebiet) ausgeliefert. Betriebschef zu dieser Zeit war Hermann Weins.

 

Weihnachten 1968, ein Jahr bevor der Pachtvertrag des Herrn Haag auslief, kam schließlich das endgültige „Aus“ für die Zelser Sargfabrik. Bei den älteren Dorfbewohnern kommen noch viele schöne Erinnerungen an die zahlreichen Feste und Theaterspiele auf, die damals nach dem Zweiten Weltkrieg oben in der Sargfabrik stattfanden. Im Vordergrund steht dabei die Dorfkirmes 1946, wo „Hiestasch Hermann“ den Fabrikraum mit den vorhandenen Werkzeugen und Hölzern zu einem Tanzsaal umräumen ließ, wo man eine Damenkapelle organisierte, jeder seine Getränke selbst mitbrachte und wo dann drei tolle Tage lang getanzt und gefeiert wurde.


Ein großer Tag für die Sargfabrik war nach Zeugenberichten immer auch die Geburtstagsfeier des Herrn Haag, die jährlich bei Langs in der Gastwirtschaft stattfand. Da wurde gegessen, getrunken, gesungen und getanzt – und es ging dabei so lustig und heftig zu, dass auch schon einmal eine Rippe zu Schaden kam.

 

Schließlich gehört zum Thema „Sargfabrik“ auch noch eine Anekdote, die Otto Escher, einmal erzählte. Es geht dabei um den vor Jahren im Simmerner Krankenhaus praktizierenden Chirurgen Doktor Hillebrand, der wegen seiner robusten und volkstümlichen Art im Umgang mit seinen Patienten im ganzen Umkreis recht bekannt war. Wenn Leute aus Zilshausen zu ihn kamen, fragte er sie immer nach dem speziellen Befinden der „Hessers“. Er tat dies, weil er vor seiner Tätigkeit in Simmern in einem Aachener Krankenhaus sehr gut mit Hiestasch Griet (Margarete Hesser) zusammengearbeitet hatte, die dort als Ordensschwester „Huberta“ bei ihm Operationsschwester gewesen war.


Als er hörte, dass Hermann H. in seiner Fabrik außer Särgen jetzt auch Klodeckel produzierte, meinte er schmunzelnd und anerkennend: „Da hat der Junge einen klugen Griff getan, denn gestorben und geschissen wird immer!“

 
Zur Geschichte der HIFA-Strickwarenfabrik

Die Strickerei in Zilshausen hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreichen Dorfbewohnern Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten geboten. In der Chronik blieb sie bislang unerwähnt. Deshalb soll an dieser Stelle anhand eines Manuskripts aus dem Hause Hiester etwas über ihre Entwicklung und Bedeutung nachgetragen werden.

 

Gründer dieses Familienunternehmens sind Johann Hiester und dessen Ehefrau Katharina, geborene Börsch aus Frankweiler. Sie betrieben zunächst in Zilshausen eine Landwirtschaft. Als dann aber die Kinderzahl auf sieben anstieg, konnte der Landwirtschaftsbetrieb nur noch den nötigsten Lebensunterhalt für die große Familie erwirtschaften. Deshalb begann die Mutter Katharina, die aus einer alten Händlerfamilie stammte, mit selbstgefertigten Strickwaren „auf den Handel zu gehen“.


Ihre Erfolge beim Verkauf von Strickwaren führten zu dem Entschluß, den ältesten Sohn Alois im Herbst 1926 nach Emmelshausen zu einem Strickwarenfabrikanten in die Lehre zu geben und ihn zum Strickmeister ausbilden zu lassen.


Alois , der sich unter Strickereiarbeit anfangs nur eine „Frauenangelegenheit“ vorstellen konnte, hatte zunächst wenig Lust zur Erlernung eines solchen Handwerks. Er fügte sich aber dem Familienbeschluss und bestand bald seine Lehre. 1930 machte er die Meisterprüfung und übernahm anschließend die Führung einer gerade neugegründeten Strickwarenfabrik in Koblenz.


Noch im selben Jahr kehrte er dann nach Zilshausen zurück, um die inzwischen hier entstandene elterliche Strickerei zu leiten. Die bestand zunächst aus zwei Strickmaschinen, einer Zunäh- und einer kleinen Spulmaschine. Der erste Betriebsraum war die „Gute Stube“ der Hiesters. Die Spulmaschine bediente der Vater, das übrige Arbeitspersonal wurde von den sechs Kindern gestellt. Für den Absatz der Produkte sorgte die Mutter.

 

Die Hiester-Familie in der guten „Stuff“

Die Hiester-Familie in der guten „Stuff“

 

Das ist das älteste Bild aus der Geschichte der Zelser Strickerei. Es zeigt die Hiesters in der „guten Stube“ beim Nähen, Spulen und Stricken. Rechts oben in der Ecke sieht man den damaligen Chef Alois Hiester. Links hinten arbeiten die Stammeltern der Strickerei (Vater Johann und Mutter Katharina).

 

Bald stieg der Umsatz der von der Familie hergestellten Strickwaren beachtlich. Neue Maschinen mussten gekauft und zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden.

 

Am Kirmestag 1932 zog die erste Motormaschine in die „Gute Stube“ ein – ein Maschine, die zum Erstaunen der Dorfbewohner von ganz alleine strickte. Die „Stuff“ wurde als Arbeitsraum viel zu klein – und bald danach auch der Hühnerstall, der zwischenzeitlich an ihrer Stelle zum neuen Arbeitsraum umgebaut worden war.


Nach weiterer erfolgreicher Entwicklung des Familienunternehmens wurde am 15. Januar 1935 die Firma HIFA gegründet und amtlich anerkannt. Seitdem tragen die Produkte der Strickerei Etiketten mit der Firmenaufschrift HIFA. Der Aufstieg der Firma setzte sich bis zum Kriegsbeginn im Jahre 1939 fort.

 

Nach dem Krieg hatte der Betrieb zunächst unter den allgemeinen Handelsbeschränkungen, dem Wertverlust des Geldes und unter der allgemeinen Rohstoffknappheit zu leiden. In dieser Situation war es ein Vorteil, daß ein Bruder des damaligen Strickereimeisters Alois den alten Bauernbetrieb der Familie weitergeführt hatte. Mit Eiern, Butter und Schweinefleisch im Kofferraum fuhr zu dieser Zeit Alois Hiester mit dem Auto in die Stadt, um die landwirtschaftlichen Kostbarkeiten gegen Wolle für seinen Strickereibetrieb einzutauschen.

 

Nach der Währungsreform 1948 ging es mit dem Betrieb dann wieder rasch aufwärts. In Klotten an der Mosel wurde der Grundstein zu einem Zweigbetrieb gelegt. Dort sollten Strumpfwaren hergestellt und zugleich die Verwaltung, der Versand und Verkauf untergebracht werden. Die Leitung der Strumpfwarenabteilung, den Verkauf und den Versand übernahmen die Geschwister Alfons und Maria Hiester.

 

In den 50er Jahren bereisten bereits drei Vertreter den sich stetig vergrößernden Kundenkreis, – und in Zelse wurden die Fabrikationsräume ständig ausgebaut.

 

Die erste, einst so sehr bewunderte Motormaschine sowie die Spulmaschine mußten moderneren und leistungsfähigeren Voll- automaten weichen, und die umständlichen Bügeleisen waren längst durch eine Bügelpresse ersetzt worden, die den Produkten der Strickerei ein deutlich schöneres Aussehen verlieh.

Die Strickereimannschaft um 1950

Die Strickereimannschaft um 1950

 

1960, im silbernen Jubiläumsjahr der Firma, wurde in Zilshausen abermals weiter ausgebaut. Die neue Maschinenhalle maß jetzt 20 x 9 qm. Der ehemalige Nähraum wurde zum Fertiglager und zur Repassierung bei eventuellen Fehlern an den Fertigwaren genutzt. Der alte Hühnerstall wurde abgerissen – an seiner Stelle erwuchs ein Gebäude mit Büro und einem Empfangsraum für Geschäftsbesuche. Im Keller unter der neuen Maschinenhalle entstanden ein großer Aufenthaltsraum, ein Vorratsraum für Wolle, eine Betriebswerkstatt und Toiletten mit Waschraum für die Angestellten.

 

Rechtzeitig vor dem letzten „Hoch“ der Deutschen Textilindustrie in den 80er Jahren wurde 1978 die gesamte Produktion in einen Neubau verlagert. Der Altbau wurde in Lager-, Büro- und Verkaufsräume umgebaut.

 

Das Unternehmen spezialisierte sich mit gutem Erfolg auf die Strick-Kombi-Mode und war bald einer der führenden Hersteller im südwestdeutschen Raum. Der Strickmaschinenpark wurde umgestellt. Die Zahl der Beschäftigten stieg auf über 50. Der Vertrieb der Ware läuft über Vertreter in ganz Deutschland an den Fachhandel. Die Zahl der Vertreter wurde auf 12 erhöht. Die Firma besucht, was früher nicht notwendig war, zweimal im Jahr als Aussteller die Modemessen in Düsseldorf.


Außerdem verfügt die Firma über vier Einzelhandelsgeschäfte in Zilshausen, Klotten, Cochem und in Bad Bertrich. In Zilshausen ist nach wie vor die Produktion angesiedelt und in Klotten die Verwaltung mit Versand und Fertigwarenlager.

 

Heute, im Jahre 2000, ist die bange Frage an die Zukunft: Wie wird es bei der fortschreitenden Globalisierung des gesamten wirtschaftlichen Geschehens im neuen Jahrtausend mit der hiesigen Strickerei weitergehen? –

 
 
Ausklang – Alt-Zelser Mundartausdrücke aus dem Text

Zum Ausklang

Einige Alt-Zelser Mundartausdrücke aus dem Text (Erklärung in den in Klammern angegebenen Kapiteln)


Mollekäpp (1) – Grutsche (1) – Speckmäis (14) – Moldahääf (6) – Watz (4) – en stearisch Koh (4) – Gemaane Stea (4) – Säischnäirasch (2)- Kleggarekäilcha (13) – Gappballe (13) – Nohlafjes (13) – Vastächjes (13) – Jachteräi (13) – Heppehäisje (13) – „Wer gräilt fiam Boamann?“ (13) – Poppescheesje (13) – Dreckplätzja (13) – Schelmesteckelcha (13) – Stromere (14) – domme Plän mache (14) – Kennelepuutse (13) – Rombele gieh (7) Kermesläit (7) – Danzborrem (7) – Rabbelekatz (7) – Meeksja (7) – Poppcha (7) – Krell (7) – Chresdaach (7) – de Patte-Weck traa (7) – Dorchgedrähde (7) – Stretzeplätzja (7) Emsopp (21) – Gequallde met Deckmelich (18) – Kappes on Erwes (7) – Eiaschmeer (4) – Stompes (4) – Quetscheschmeer (4) – Bierekrout (18) – Biereplatz (11) – Appelebum (11) – Deppekooche (11) – Äisedeppe (11) – Zimmetskooche (11) – Näijeacha (12) – Koascht (11) – Nohmell (12) – Luse gie (11) – Aaback (11) – Mool (11) – Bäid (11) – Brud-Huad (11) – Keß (11) – Kremelesäckelche (11) – Ollichmill (12) – Millescholtes (12) Gretzmill (4) – Geschrääts (4) – Schlorrafass (4) – Plooch (2) – Ääsch (6) – Well (4) – Gewel (4) – Silleschäid (4) – Reff (6) – Anweld (6) – et Haimache wird gestallt (6) – de Floar wird zogemach (6) – Wisebotze (6) – Rommele blarre (6) – Steaschhai mache (10) – Friene gie (10) – Hairoppe (4) – en Haffel Hai dardoo (4) – Schorje (5) – Säikrombiere (4) – Hai häppe (6) – of Schloue mache (6) – Pull fahre (6) – Spraare (6) – Kehkerrem (18) – Gasel (18) – Schmegge (18) – Stegga (5) – e Spetzje (5) Kechekämmache (3) – Däistakamma (3) – Schosseledill (3) – Stuffedesch (3) – Waschlavur (16) – Wassastein (13) – Räiel (13) – Pondloch (3) – Kellaschorp (3) – Schall (3) – Kaawezeech (3) – Schees (16) – Klarakest (3) – Ulles (3) – Räibat (16) – Porbel (16) – Genäälde (3) – fia schiesestieh (16) Bätglock (13) – et läit of Schaaf (8) – Durewach (8) – Stationebäre (13)-Strooße gie (6) – Aasprooch (11) – sprooche (11) – en Päif Tubak (11) – Kunde (11) – lousta moh (10) – e Schräiwes (2) – mäggalisch (16) – bletzebloh (9) – ebbes (16) et reent bes en die ennascht Zieh (16) – et es kneppelhatt gefroa (14) – de Borrem es watzich (6)- wem bes dou da? (2) – awäil loßt mol noh (13) – ich machen mich die Trapp eruff (16)

 

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